Ganz normaler Berlin-IrrsinnFünf Monate Odyssee für einen Parkausweis und kein Ende in Sicht

Skurrile Anekdoten über die Berliner Verwaltung sind so neu wie Verspätungsgeschichten von Bahnfahrern. Was aber unser Autor bei einem vermeintlich simplen Verwaltungsvorgang erlebte, gewährt einen besonders gruseligen Blick in den Abgrund des analogen Behördendschungels.
Wer als leidgeprüfter Hauptstadt-Bewohner vom Bürgeramt aufgefordert wird, den alten Parkausweis von der Windschutzscheibe abzukratzen und die nicht lesbaren Schnipsel in ein Kuvert zu legen und sie beim Pförtner abzugeben, weiß: Die Digitalisierung Berlins ist ungefähr so weit vorangekommen wie ein Dinosaurier auf einem Skateboard.
Es stellt sich das Gefühl ein: Die spinnen! Dabei fing auch diese Episode über die Abgründe der Berliner Verwaltung so simpel an: Ein neues Auto angeschafft, das Alte verkauft; ein ganz normaler Vorgang, könnte man meinen. Ein neuer Anwohner-Parkausweis muss her, der wird im Sommer beantragt und umgehend bezahlt. Und dann passiert drei Monate... nichts!
In dieser Zeit häufen sich auf der Windschutzscheibe des neuen Pkw Knöllchen wie unerwünschte Gäste bei einer Party. Auf Nachfrage beim Amt gibt es folgende Antwort: "Wir sind sehr überlastet, das dauert hier alles ein bisschen. Legen Sie bei jedem Knöllchen Widerspruch ein." Na klar, mache ich. Zahlreiche Schreiben, Widersprüche, Antworten: Es entsteht ein reger Briefwechsel, der selbst Shakespeare vor Neid erblassen ließe.
Dann, nach drei Monaten, ein Schreiben vom Bürgeramt Pankow: "Wir können Ihrem Antrag nach einem neuen Ausweis nicht nachkommen. Wir brauchen dazu den alten Ausweis, den, der an der Windschutzscheibe hängt!" Den alten Ausweis?!? Aber der klebt doch im Auto, das längst verkauft wurde!
Wer sich vor dem Fahrzeugwechsel nicht präventiv in die Detailanforderungen des Berliner Bürgerservice vertieft, dem gnade das Bürgeramt. Ich kann mir schon vorstellen, wie der Sachbearbeiter mit einem Kaffeebecher in der Hand und einem Grinsen auf dem Gesicht denkt: "Hach, die Bürokratie, wie ich sie liebe!"
Ich schicke in meiner Verzweiflung die Abmeldung des alten Autos an das Amt. Das muss doch eigentlich reichen! Ein klarer Beweis, dass es ein Auto mit dem Kennzeichen und dem alten Parkausweis nicht mehr gibt. Aber mit Logik kommt man beim Bürgeramt Pankow nicht weiter.
Immerhin: Auf diese Zusendung reagiert das Amt schnell und, man höre und staune, digital: "Ihre eingereichte Abmeldung des Kraftfahrzeugs habe ich erhalten. Diese allein sagt jedoch leider nichts über den Verbleib der Urkunde als solches aus und ist für uns zweitrangig", heißt es per Mail
Hilfeeeeeeeeeee!!!! Mittlerweile sind seit der Beantragung etwa fünf Monate vergangen. Es gab zahlreiche Schriftwechsel zwischen Polizei und Bürgeramt. Einige Sachbearbeiter, die sich mit dem Fall beschäftigt haben, wurden verschlissen. Nur wofür?
Es geht bei dem ganzen Bohei um einen Parkausweis, der in Berlin ganze 20,40 Euro kostet - für zwei Jahre! Das deckt nicht einmal die Hälfte der Verwaltungskosten. Bislang hat die CDU eine Erhöhung des Tarifs verhindert. Vielleicht auch zurecht, weil man für einen solchen Bürgerservice schlecht mehr Geld fordern kann.
Ich habe mittlerweile Kontakt zum Käufer meines alten Autos aufgenommen. Er schaut, ob vielleicht noch Überreste an der Windschutzscheibe hängen. Die will er abkratzen und mir schicken. Wie erwähnt: Man muss darauf nichts erkennen. Und nein, ich vergesse nicht, die Schnipsel beim Pförtner abzugeben. Es soll ja schnell gehen.