Politik

Johnson macht sich bereit Für May wird es eng

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(Foto: REUTERS)

Die britische Premierministerin Theresa May war stets gegen den Brexit und muss ihn doch aushandeln. Ihr innerparteilicher Widersacher Johnson tritt nun als Außenminister zurück - das könnte May den Job kosten.

Als Politiker wie Boris Johnson, damals noch Bürgermeister von London, oder der Chef der UKIP-Partei Nigel Farage die Werbetrommel für den Brexit rührten, setzte sich Theresa May für den Verbleib der Briten in der EU ein. Seit sie Premierministerin ist, muss sie den Ausstieg des Königreichs aus der Union organisieren - während Farage es ihr überlässt, seine Forderungen zu erfüllen und innerparteiliche Gegner May das Leben schwer machen.

Die Regierungschefin versucht unter Zeitdruck, den sogenannten "Hard Brexit" zu vermeiden, also einen Kompromiss mit der EU auszuhandeln und eine abrupte Trennung zu verhindern. Doch stößt sie in weiten Teilen ihrer konservativen Partei auf immer heftigeren Widerstand. Kaum schwört sie ihr Kabinett auf einen gemeinsamen Kurs ein, verliert sie innerhalb von 24 Stunden Brexit-Minister David Davis, Außenminister Johnson und einen Staatssekretär.

Wie der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union aussehen soll, darüber streiten nicht nur das Inselreich und die EU seit fast zwei Jahren. Die unterschiedlichen Ansichten darüber treiben auch einen immer tiefer werdenden Riss in die britische Politik. Am Freitag hatte May in einer ganztägigen Sitzung ihres tief gespaltenen Kabinetts einen Kompromiss durchgedrückt. Der Plan: Das Königreich soll per Freihandelszone unmittelbar nach dem Brexit an den Kontinent gebunden bleiben. Einschränkungen soll es jedoch für den freien Verkehr von Menschen, Kapital und Dienstleistungen geben.

Ob die EU das akzeptiert, ist zweifelhaft. CDU-Europapolitiker Elmar Brok sagte, die EU-Grundfreiheiten seien nicht verhandelbar. SPD-Fraktionsvize Achim Post warnte vor "Rosinenpickerei". Doch es schien, als hätten die britische Regierung und die notorisch zerstrittenen Konservativen endlich eine Linie für die Verhandlungen mit der Union gefunden. Und May schien einen Weg gefunden zu haben, einen harten Brexit mit seinen unabsehbaren Konsequenzen zu vermeiden. Immerhin wäre eine der vier Grundfreiheiten der EU, der freie Warenverkehr, durch die Freihandelszone erhalten geblieben.

Doch auch auf der Insel hat der Plan wohl nur geringe Erfolgsaussichten. Der Burgfrieden zwischen May und ihren Ministern hielt nicht lange. Schon während der Verhandlungen am Freitag soll Boris Johnson, zu diesem Zeitpunkt noch Außenminister, das Ergebnis als "Scheißhaufen" bezeichnet haben.

May-Gegner suchen Anführer

Und Brexit-Minister David Davis? Er gab bereits am Sonntagabend seinen Rücktritt bekannt. Ihm blieb im Grunde auch nichts anderes übrig. Schließlich hatte er Mays Modell einer Freihandelszone schon vor dem Verhandlungsergebnis als nicht machbar bezeichnet.

Nachdem Davis das Kabinett verlassen hatte, geriet Johnson in Erklärungsnot. Hinzu kam, dass auch der Staatssekretär im Brexit-Ministerium, Steven John Baker, kurz nach Davis' Rücktritt ebenfalls hingeschmissen hatte.

Mit dem Rücktritt der stärksten Widersacher sind Mays Probleme allerdings nicht gelöst. Im Gegenteil. Johnson kann jetzt, da er keine Verantwortung mehr trägt, die Premierministerin viel besser unter Druck setzen. Möglicherweise wird er sogar versuchen, sie zu stürzen und sich an die Regierungsspitze zu putschen.

In der Regierungsfraktion im britischen Parlament regt sich erheblicher Widerstand gegen May. Eine Gruppe von rund 60 Hinterbänklern ist für einen klaren Bruch mit Brüssel, einige haben bereits offen ihren Unmut über den Kompromiss geäußert und mit einem Misstrauensvotum gegen May gedroht. Dafür wären 48 Stimmen nötig, doch der Gruppe fehlt bisher ein einflussreicher Kopf. Eine Rebellion anzuführen, wäre Boris Johnson, der sich über seine weiteren Pläne bisher bedeckt hält, zweifellos zuzutrauen.

Der 54-Jährige mit den zerzausten Haaren mag tollpatschig wirken. Doch vieles spricht dafür, dass das Inszenierung ist. Erblickt Johnson eine Kamera, fährt er sich schnell durchs Haar, um zersauselt auszusehen. In der Vergangenheit zeigte er sich gerne in unvorteilhaften Positionen, stolperte, fiel sogar vor den Augen der Zuschauer. Nicht wenige halten jedoch all das für Berechnung. "Ein listiger Fuchs, verkleidet als Teddybär", sagte etwa einst der Herausgeber des "Telegraph", Conrad Black, über Johnson. Unterschätzen wird May ihn aber nicht.

Denn Johnson wird nachgesagt, dass er gerne Premierminister wäre. Damit hat er in der Vergangenheit selbst kokettiert. Und May ist derzeit so geschwächt, dass Johnson seine Zeit womöglich nun für gekommen hält.

Quelle: ntv.de

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