Politik

Zum Wagenknecht-Manifest Für einen gerechten Frieden

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Der ukrainische Präsident Selenskyj besuchte in der vergangene Woche europäische Partner, hier Frankreichs Präsidenten Macron.

(Foto: picture alliance / abaca)

Laut Wagenknechts und Schwarzers Manifest wäre Frieden leicht zu erreichen - mit Verhandlungen statt Panzern. Die Argumentation dahinter ist bestenfalls naiv, sagt die Friedensforscherin Ursula Schröder.

Das "Manifest für Frieden" von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht liest sich, als gäbe es eine einfache Lösung für das Ende des russischen Kriegs gegen die Ukraine: Verhandlungen statt Panzer, wie es auf dem Titelbild der Zeitschrift "Emma" steht. Und als wäre Frieden ein Zustand, der sich durch Friedensverhandlungen jetzt schnell erreichen ließe. Beides ist falsch. Und beides basiert auf der ebenso falschen Annahme, dass es "den Frieden" gibt.

Das Manifest lässt in seinem Titel offen, wer es ist, der im Frieden leben soll. Im Text selbst positioniert es sich aber eindeutig. Der geforderte Frieden ist in erster Linie ein Frieden für uns, hier in Deutschland: Unsere Regierung möge sich darauf besinnen, dass es ihre Aufgabe sei, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, so der Text. Und es spielt durch die gleichzeitige Warnung vor einer unaufhaltsamen und apokalyptischen Eskalation des Kriegs der russischen Strategie der Angst in die Hände.

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Die Politik-Professorin Ursula Schröder leitet das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.

(Foto: ifsh)

Der unbestimmte Ruf nach Frieden verschweigt, dass ein sofortiges "die Waffen nieder" - so verständlich dieser Wunsch sein mag - weiter Gewalt, Tod und tiefgreifende Unsicherheit für die Bevölkerung der Ukraine bedeuten wird. Große Teile der Ukraine sind nach wie vor unter russischer Kontrolle. Und angesichts der Vergewaltigungen, der Folter und dem Kindesraub, die nach der Befreiung russisch besetzter Gebiete dokumentiert wurden und werden, ist eine solche Forderung gerade im Kontext der früher feministisch positionierten "Emma" erstaunlich.

Und es greift zu kurz zu argumentieren, dass die Ukraine gegen eine Atommacht ohnehin nicht gewinnen kann und daher jetzt verhandeln muss. Ziel der westlichen Unterstützung ist nicht ein Sieg über Russland, wie auch immer der aussehen soll. Ziel ist die erfolgreiche Verteidigung der Ukraine gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff. Gleichzeitig soll die Ukraine aus einer Position der Stärke heraus in zukünftige Verhandlungen eintreten können.

Kriege zwischen Staaten enden selten als eindeutiger Sieg

Diese Verhandlungen - realistisch gesehen nicht über eine umfassende Friedensordnung, sondern über die Koexistenz zweier souveräner Staaten - sind selbstverständlich alternativlos. Denn Kriege zwischen Staaten enden nur sehr selten - in etwa einem Fünftel der Fälle - mit dem eindeutigen Sieg einer Kriegspartei.

Militärische Unterstützung und Verhandlungen sind aber keine Alternativen - anders als es im Manifest heißt. Kriegsführung ist Teil von Verhandlungsprozessen. Und Kriegsparteien nehmen häufig erst dann Verhandlungen auf, wenn sie erkennen, dass sie mehr davon zu erwarten haben, wenn sie die Kriegshandlungen beenden als wenn sie sie fortführen.

Einen solchen Moment zu sehen und von außen eine Verhandlungslösung zu unterstützen - die naturgemäß Zugeständnisse beider Seiten beinhalten wird - ist schwer. Momentan ist er noch nicht erreicht. In diesen Tagen gehen die gezielten russischen Angriffe auf die notwendigen Versorgungsinfrastrukturen für die Zivilbevölkerung der Ukraine unvermindert weiter oder werden sogar noch verstärkt.

Zuletzt: Das "Manifest für Frieden" argumentiert mit seinem Wunsch nach einem sofortigen Frieden bestenfalls naiv. Erfahrungen mit Friedensverhandlungen zeigen, dass Frieden kein Zustand ist, der von heute auf morgen erreichbar ist. Und dass, selbst wenn erfolgreich verhandelt wurde, Friedensabkommen häufig nicht umgesetzt werden. Die Abkommen von Minsk sind nur ein Beispiel dafür.

Das "Manifest" will den Krieg beenden - auf Kosten der Ukraine

Die Stabilität einer zukünftigen Friedensordnung wird zentral davon abhängen, dass der verhandelte Friedensschluss als gerecht wahrgenommen wird, insbesondere von der Ukraine. Dass es also keinen Diktatfrieden der russischen Seite gibt. Und dass glaubwürdige Zusagen - auch von internationaler Seite - gemacht werden, damit Friedensvereinbarungen verlässlich eingehalten werden.

Ein Manifest ist die öffentliche Erklärung einer Absicht. Das "Manifest für Frieden" erklärt die Absicht, diesen Krieg schnell und auf Kosten der Ukraine zu beenden. Das wäre kein Frieden, der seinen Namen verdient. Stattdessen müssen wir die Suche nach einem gerechten Frieden unterstützen. Dafür gibt es leider keine Abkürzung.

Quelle: ntv.de

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