Mit Kampfjets zur Kriegswende? G7-Gipfel soll für Selenskyj zum "Game Changer" werden
20.05.2023, 15:14 Uhr Artikel anhören
Trifft sich mit den wichtigsten Spitzenpolitikern der Welt: Wolodymyr Selenskyj.
(Foto: dpa)
Bei seinem Besuch beim Treffen der sieben größten Industrienationen bittet der ukrainische Präsident um weitere militärische Hilfen. Die G7 will dem Wunsch Selenskyjs künftig nachkommen. Dabei erhält die Ukraine sogar Unterstützung von einem Land, das eng mit Russland verbandelt ist.
Die Ukraine kann im Kampf gegen die russische Invasionsarmee absehbar mit modernen westlichen Kampfflugzeugen planen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj traf mit einer französischen Regierungsmaschine beim G7-Gipfel im japanischen Hiroshima ein. Er will mit den Staats- und Regierungschefs der führenden demokratischen Volkswirtschaften über neue militärische und wirtschaftliche Hilfen zu beraten.
Selenskyj traf zunächst den britischen Premierminister Rishi Sunak und die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni zu Gesprächen. Ein Treffen wurde auch mit US-Präsident Joe Biden erwartet. Selenskyj dankte Sunak für dessen Unterstützung bei der Beschaffung moderner westlicher Kampfflugzeuge. "Ich habe für die Führung des Vereinigten Königreichs in der internationalen Kampfjet-Koalition gedankt", schrieb Selenskyj auf seinem Telegram-Account.
Indien will Ukraine unterstützen
Auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz kam der ukrainische Präsident zusammen. Die beiden kamen am Samstagabend im Gipfelhotel Grand Prince kurz nach der Ankunft Selenskyjs in Hiroshima zusammen. "Gut, dich zu sehen. Wir treffen uns ja recht häufig", sagte Scholz zur Begrüßung. "Es ist immer eine Freude", antwortete Selenskyj. Das Treffen der beiden im 22. Stock des Hotels dauerte gut 20 Minuten. Scholz hatte Selenskyj am vergangenen Sonntag in Berlin empfangen. Es war das erste Mal, dass die beiden sich öffentlich mit Wolodymyr und Olaf ansprachen. Scholz sagte Selenskyj in Berlin ein Paket mit weiteren Waffenlieferungen im Wert von 2,7 Milliarden Euro zu.
Mit Indien erhielt die Ukraine sogar Zuspruch von einem Land, das eigentlich gute Beziehungen zu Russland unterhält. Indiens Ministerpräsident Narendra Modi seine Hilfe für eine Beendigung des Krieges angeboten. "Indien und ich werden alles tun, was wir können, um den Krieg zu beenden." Selenskyj dankte ihm für die indische Unterstützung der territorialen Integrität und Souveränität seines Landes. Wie der ukrainische Präsident auf Telegram weiter mitteilte, habe er Modi auch den Bedarf seines Landes für Minenräumung und mobile Krankenhäuser geschildert.
US-Präsident Biden hatte zuvor grundsätzlich den Weg für die Lieferung von Jets des Typs F-16 frei gemacht. Großbritannien und auch die Niederlande hatten in der vergangenen Woche die von Kiew seit langem gewünschte internationale Kampfjet-Koalition angestoßen. Zunächst sollen Piloten ausgebildet werden, was Monate dauert. Dann wird nach US-Angaben entschieden, wann und wie viele Flugzeuge von wem geliefert werden. Selenskyj begrüßte die Unterstützung der USA als "historische Entscheidung". "Dies wird unsere Armee am Himmel erheblich stärken", twitterte Selenskyj.
Am Sonntag wird der ukrainische Präsident zum Abschluss der dreitägigen Gipfelberatungen an den Sitzungen teilnehmen. Laut einem japanischen Medienbericht ist auch eine Rede in Hiroshima geplant. Japan treffe zudem Vorbereitungen für einen Besuch Selenskyjs im Friedensmuseum. Dort werden Zeugnisse der Folgen des US-Atombombenabwurfs am 6. August 1945 auf die Stadt gezeigt. Auch die Staats- und Regierungschefs hatten das Museum besucht und am Ehrenmal der mehr als 300.000 Atombombenopfer mit Kranzniederlegungen gedacht. Bei dem US-Angriff zum Ende des Zweiten Weltkriegs war Hiroshima fast vollständig zerstört worden. Japans Ministerpräsident Fumio Kishida hatte als Gastgeber Hiroshima als Tagungsort ausgewählt.
Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete den Besuch Selenskyjs als "Game Changer". "Ich denke, dies ist eine einzigartige Gelegenheit, sich mit vielen Ländern des Südens auszutauschen und ihre Situation zum Ausdruck zu bringen, eine Botschaft zum Ausdruck zu bringen und eine Meinung zu teilen. Ich glaube wirklich, dass es bahnbrechend sein kann", sagte Macron. Macron fügte hinzu, dass Frankreich "bis zum Ende" an der Seite der Ukraine bleiben werde.
"Unterstützung für die Ukraine verstärken"
Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine erinnerte die Gipfelrunde an die Folgen eines Einsatzes von Kernwaffen. Der russische Präsident Wladimir Putin hat seit Beginn der Invasion am 24. Februar 2022 wiederholt mit dem Atomwaffenarsenal seines Landes gedroht. Am Tag von Selenskyjs Ankunft in Japan sagten die G7-Staaten Kiew weitere Hilfen zu. "Wir ergreifen konkrete Maßnahmen, um die Ukraine angesichts des fortdauernden illegalen russischen Angriffskriegs so lange zu unterstützen, wie dies nötig ist", heißt es in der verabschiedeten G7-Erklärung. Man verpflichte sich, die "diplomatische, finanzielle, humanitäre und militärische Unterstützung für die Ukraine zu verstärken" und die Kosten für Russland und seine Unterstützer zu erhöhen. Bei der Ankunft bedankte sich Selenskyj auf Twitter: "Wichtiges Treffen mit Partnern und Freunden der Ukraine. Sicherheit und verstärkte Zusammenarbeit für unseren Sieg. Der Frieden wird heute näher kommen."
Es ist das erste Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar des vergangenen Jahres, dass Selenskyj nach Japan reist. Der Nationale Sicherheitsberater Bidens, Jake Sullivan, widersprach in Hiroshima dem Eindruck, der US-Präsident - der den Wunsch der Ukraine nach Kampfjet-Lieferungen zunächst abgelehnt hatte - habe eine Kehrtwendung vollzogen. Für die USA seien F-16-Kampfjets immer als Option auf dem Tisch gewesen.
Sullivan sagte, die Entscheidungen über Waffenlieferungen seien von Anfang an den Erfordernissen im Kriegsgeschehen gefolgt. Nun sei man "an einem Punkt angelangt, an dem es an der Zeit ist, in die Zukunft zu blicken". Und da kämen die Kampfjets ins Spiel. Zur G7 gehören neben den USA noch Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada sowie die Europäische Union.
Quelle: ntv.de, mba/dpa