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Nationalist kritisiert Kreml Girkin: Offensive führt nicht zu Kiews Niederlage

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Igor Girkin (Mitte) ist ein scharfer Kritiker der russischen Militärführung.

Igor Girkin (Mitte) ist ein scharfer Kritiker der russischen Militärführung.

(Foto: AP)

Der russische Nationalist Igor Girkin ist einer der bekanntesten Kritiker der Militärführung in Moskau. Auf seinem Telegram-Kanal bewertet der Ex-Geheimdienstoffizier nun drei mögliche Szenarien für eine Großoffensive in der Ukraine. Dabei kommt der Militärblogger zu keinem positiven Fazit für Russland.

In Russlands nationalistischen Kreisen sorgt die Kriegsführung Moskaus immer wieder für Unzufriedenheit. Einer der prominentesten Kritiker ist Igor Girkin. Der 52-jährige Militärblogger war eine Zeitlang "Verteidigungsminister" der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" und befehligte nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim selbst russische Kämpfer. Ihm wird auch der Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges über der Ukraine im Juli 2014 zur Last gelegt.

Nun hat sich Girkin auf Telegram ausführlich zu drei möglichen Angriffsszenarien der russischen Streitkräfte in der Ukraine geäußert. Dabei sieht er die Lage von Moskaus Streitkräften pessimistisch.

Szenario 1: Angriff von Belarus aus

Die Wahrscheinlichkeit für eine Offensive von Belarus aus, hält Girkin für gering, da die Ukrainer in der Grenzregion auf einen Angriff vorbereitet seien und das stark zerklüftete Wald- und Sumpfgebiet schwierig zu passieren sei. Nach seinen Berechnungen wären mindestens 150.000 bis 200.000 Soldaten nötig, um eine durchgehende Front im Norden zu schaffen. Zudem würde ein solcher Großangriff wohl dazu führen, dass Belarus mit in den Krieg hineingezogen wird, befürchtet der ehemalige Offizier des Militärgeheimdienstes GRU. "Aus der Sicht des gesunden Menschenverstandes bedeutet ein erneuter Vorstoß in die Gebiete Kiew, Tschernihiw und (möglicherweise) Wolhynien eine Verlängerung der Front um weitere tausend Kilometer ohne Hoffnung auf einen entscheidenden Erfolg", so Girkins Fazit.

Szenario 2: Angriff im Nordosten

Für wahrscheinlicher hält er einen Vorstoß aus den russischen Grenzregionen Belgorod, Kursk und Brjansk, da Moskau in den Gebieten ohnehin Truppen zum Schutze Russlands konzentriert habe. Charkiw sei die zweitwichtigste Stadt der Ukraine und ein wichtiges Industriezentrum, betont Girkin. Ob die Kreml-Verbände aber bedeutende Erfolge in den Regionen Charkiw und Sumy erzielen könnten, sei fraglich. "Aber ich bin fest davon überzeugt, dass hier eine große Schlacht in jedem Fall zu großen Verlusten führen wird", so Girkin. Eine Wiederauffrischung der Truppen wäre aber ohne neue Mobilmachungen in Russland unmöglich.

Szenario 3: Angriff im Süden

Als dritte Option sieht Girkin die Region Saporischschja im Süden. Als vorrangige Ziele einer Offensive macht er die Städte Orichiw und Huljajpole aus, ohne deren Einnahme ein Vorstoß auf die Gebietshauptstadt Saporischschja unmöglich sei. Als "Vorteil" bezeichnet Girkin das flache und offene Gelände, das nur durch Truppenkonzentrationen in großen Siedlungen erfolgreich verteidigt werden könne. Nachteilig sei allerdings, dass die ukrainischen Streitkräfte in den vergangenen Monaten ihre Stellungen immer weiter befestigt hätten. "Um die Front schnell wieder zu durchbrechen, sind viele Kräfte erforderlich, konzentriert in gut ausgebildeten und zuverlässig gesteuerten Einheiten und Formationen", meint Girkin.

Abschließend teilt Girkin seinen fast 800.000 Followern mit, dass er derzeit keine Faktoren sehe, die den Erfolg einer russischen Großoffensive garantieren würden. Ein umfassender Offensivkampf würde "sehr schnell und unvermeidlich zu großen Verlusten und zur Erschöpfung der Ressourcen führen". Trotz möglicher Erfolge würden diese nicht zu einer vollständigen Niederlage der Ukraine führen. Vor allem, weil es den russischen Streitkräften an strategischen Reserven mangele.

"Unabhängig davon, ob unsere Militärführer beschließen, eine Offensive zu starten oder auf die Frühjahrsoffensive der Ukraine warten, um die Front zu halten, wird sowohl die Mobilisierung der Bevölkerung als auch der gesamten Industrie erforderlich sein." Je länger Moskau damit zögere, desto geringer werden die Chancen auf eine militärische Niederlage der Ukraine, so Girkin.

Quelle: ntv.de, jpe

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