"Bunkerbrechende Bombe genutzt" Heftiger Luftangriff erschüttert Stadtzentrum von Beirut
23.11.2024, 11:16 Uhr Artikel anhören
Erneut feuert das israelische Militär Raketen mitten in die libanesische Hauptstadt. Dabei wird ein Wohnhaus getroffen. Mindestens elf Menschen sterben. Derweil rücken auch Israels Bodentruppen weiter vor.
Bei dem israelischen Raketenangriff in einem Wohnviertel der libanesischen Hauptstadt Beirut sind nach neuen Angaben mindestens 15 Menschen getötet worden. 63 weitere Menschen seien bei dem Angriff in Basta al-Fauka im Zentrum von Beirut verletzt worden, erklärte das libanesische Gesundheitsministerium. Es handele sich allerdings um vorläufige Angaben, da Rettungskräfte unter den Trümmern weiter nach Verschütteten suchten. Israel habe bunkerbrechende Bomben eingesetzt, die einen tiefen Krater hinterlassen hätten. Libanesische Sicherheitskreise berichteten, dass der Angriff einem Hisbollah-Funktionär gegolten habe.
Die Nationale Nachrichtenagentur im Libanon hatte zuvor berichtet, ein achtstöckiges Wohnhaus in der Al-Mamun-Straße im Arbeiterviertel Basta sei durch den Beschuss mit mehreren israelischen Raketen vollständig zerstört worden. Bei dem Angriff habe es eine "große Anzahl von Toten und Verletzten" gegeben. Vor dem Beschuss hatte es für Basta keinen Evakuierungsaufruf gegeben.
Journalisten der Nachrichtenagentur AFP in Beirut und der Umgebung hörten mindestens drei heftige Explosionen. Weitere Augenzeugen berichteten, dass die Explosionen die ganze Stadt erschüttert hätten. Der gegen 4 Uhr erfolgte Angriff beschädigte nach Aufnahmen von AFPTV auch mehrere Häuser in der Nähe. Krankenwagen strömten zu dem Wohnhaus, das sich in einen Trümmerhaufen verwandelt hatte. Nach dem Angriff war ein Bagger im Einsatz, um die Trümmer des achtstöckigen Wohnhauses abzutragen. Das Wohnviertel liegt nicht weit entfernt vom Parlament und dem Regierungspalast Grand Serail.
Am Vormittag suchten Angehörige und Retter in den Trümmern weiter nach Überlebenden. "Meine Mutter und meine Schwester liegen immer noch unter den Trümmern", sagte ein Anwohner. Ein weiterer Bewohner sagte mit Blick auf das zerstörte Gebäude: "Meine Mutter hat hier geschlafen, und meine dreijährige Tochter hat hier geschlafen. Jetzt liegen sie im Krankenhaus."
Verstärkte Angriffe auf Hisbollah-Ziele
Der Beschuss war der zweite Angriff auf Basta seit der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz, der erste war Anfang Oktober erfolgt. Am Samstag meldete die Nationale Nachrichtenagentur außerdem einen israelischen Angriff auf Hadath, einen der südlichen Vororte von Beirut, die zu den Hisbollah-Hochburgen im Land gehören.
Auf mehrere Evakuierungsaufrufe folgten Luftangriffe. Die israelische Armee sprach von Angriffen auf Waffenlager, Kommandozentralen und "terroristischer Infrastruktur" der Hisbollah. Die Vororte sind dicht besiedelte Wohngebiete. Viele der Bewohner der als Dahija bekannten Wohnorte sind bereits geflohen. Schon vor den erneuten intensiven Angriffen der letzten 24 Stunden berichteten Augenzeugen von großer Zerstörung.
Truppen rücken im Libanon vor
Unterdessen rückten israelische Truppen auch im Südlibanon weiter in strategisch wichtige Orte vor. Libanesische Sicherheitskreise und lokale Medien berichteten, dass Israels Armee zu mehreren Orten im Südosten und Südwesten vorgerückt sei. Auch eine wichtige Verbindungsstraße zwischen der Stadt Nabatia und Grenzorten sei zerstört worden, hieß es aus Sicherheitsquellen. Die Straße galt als wichtige Versorgungsroute für die Hisbollah-Miliz. Die israelische Armee äußerte sich nicht zu den angeblichen Truppenbewegungen.
Israel will erreichen, dass sich die Hisbollah hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es die UN-Resolution 1701 vorsieht, die das Ende des vergangenen Krieges von 2006 markierte. Ein aktuell diskutierter Entwurf zu einer Waffenruhe sieht die vollständige Umsetzung der Resolution und einen Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon vor.
Beobachter sehen in dem weiteren Vorrücken eine mögliche Gefahr für die Gespräche zu einer Feuerpause. Der Experte und Gründer des Militärinstituts INEGMA in Dubai, Riad Kahwadschi, sagte, beide Seiten probierten vor einer möglichen Einigung zu einer Waffenruhe ihre Bedingungen zu verbessern. Das könne die Gespräche beeinträchtigen.
Raketen auf Israels Norden
Im Norden Israels sind nach Armeeangaben fünf Raketen in der Region Metula an der Grenze zum Libanon eingeschlagen. Die Zeitung "Haaretz" berichtete unter Berufung auf den örtlichen Bürgermeister, dass die Raketen landwirtschaftliche Flächen getroffen hätten. Es habe keine Verletzten gegeben.
Nach dem Großangriff vom 7. Oktober hatte die mit der Hamas verbündete pro-iranische Hisbollah mit regelmäßigen Raketenangriffen vom Libanon aus eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Infolge der permanenten Angriffe wurden rund 60.000 Menschen im Norden Israels aus ihren Häusern vertrieben. Als Reaktion beschoss Israel seinerseits Hisbollah-Ziele im Nachbarland.
Seit September hat die israelische Armee ihre Angriffe auf Hisbollah-Ziele im Libanon deutlich verstärkt. Zudem startete sie Ende September Bodeneinsätze gegen Stellungen der Miliz im Südlibanon. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden in dem Konflikt seit Oktober 2023 mindestens 3645 Menschen im Libanon getötet, die meisten davon seit September 2024.
Quelle: ntv.de, mdi/mba/AFP/dpa