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Chrupalla und Gysi bei Lanz "Ihr Wahlprogramm ist eine Zumutung" - "Nein, Ihr Wahlprogramm ist eine Zumutung"

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Deutsch sprechende Migranten, die als Fachkräfte arbeiten, sind Chrupalla willkommen - solange sie den Deutschen keinen Wohnraum wegnehmen.

Deutsch sprechende Migranten, die als Fachkräfte arbeiten, sind Chrupalla willkommen - solange sie den Deutschen keinen Wohnraum wegnehmen.

(Foto: IMAGO/HMB-Media)

Mit AfD-Chef Chrupalla und Linken-Urgestein Gysi will Markus Lanz im ZDF unter anderem über das Wahlprogramm der AfD reden. Das ist sehr unterhaltsam, aber wenig erhellend.

Markus Lanz hat sich für den Talk-Abend viel vorgenommen. Über Migration will er reden, über das Wahlprogramm der AfD, und darüber, wie es die Linkspartei in den Bundestag schaffen will. Da hat er sich etwas überhoben. Über die Strategie der Linkspartei zum Beispiel redet er dann nicht. Dazu ist die Sendezeit zu kurz. Und auch das Wahlprogramm der AfD muss er in einer Geschwindigkeit abarbeiten, die zwar gelegentlich zu etwas chaotischen Diskussionen führt, aber nicht unbedingt zuschauerfreundlich ist. Linken-Urgestein Gregor Gysi ist da. Er hat das Wahlprogramm der AfD gelesen. AfD-Chef Tino Chrupalla hat das Wahlprogramm der Linken gelesen, sagt er. Beide streiten sich über das Wahlprogramm des jeweiligen Gegners. Das geht ungefähr so: "Ihr Wahlprogramm ist eine Zumutung." "Nein, Ihr Wahlprogramm ist eine Zumutung." "Unser Wahlprogramm ist okay, aber Ihres ist eine Zumutung." Und immer so weiter. Loriot hätte sich gefreut.

Jemand, der offenbar beide Wahlprogramme wirklich gelesen hat, ist auch da: RTL- und ntv-Politikchef Nikolaus Blome. Das Programm der Linken gefällt ihm nicht. Was die Asylpolitik angeht, könnten sie es gleich vernichten, meint er. Die Linken wollen alle bisherigen Verschärfungen in der Migrationspolitik schleifen und setzen dafür auf mehr Integration von Migranten. Und das Programm der AfD scheint Blome sogar besser zu kennen als AfD-Politiker Chrupalla, dem er zeigen muss, wo die Bürgergeldlösung der AfD steht. War es Seite 25? Man wüsste es gerne, doch das geht im Wortbrei der sich streitenden Gäste unter.

Es gibt einen Moment der Besinnung, als Gysi Chrupalla persönlich beleidigt. Da bezweifelt Gysi, dass Chrupalla das Wahlprogramm der Linken gelesen hat. "Sie würden es gar nicht verstehen", fügt er hinzu. Auweia, bricht da plötzlich ein befremdetes Schweigen aus. Lanz reagiert schnell: Das sei nur ein Scherz gewesen. Die Rettung. Gysi lenkt auch sofort ein: Klar war das ein Scherz. Und so kann man munter weiterdiskutieren.

Chrupalla und die "soziale Hängematte"

Zum Beispiel über die Sache mit den Windkraftwerken. Und da erfahren die Zuschauer erstaunliches: Die AfD wolle gar nicht alle Windräder niederreißen, sagt Chrupalla. Nur die im hessischen Reinhardswald. 18 Stück. Die anderen würden laut Chrupalla ohnehin früher oder später ihren Geist aufgeben. Spätestens wenn Deutschland wieder auf Kernenergie umgestellt hätte. "Das machen alle anderen Länder auf der Welt so", sagt Chrupalla.

Und sonst? Gas soll wieder aus Russland importiert werden, das sei billig und die Strompreise könnten sinken. Lebensmittel sollen auch billiger werden. Dafür sollen Renten deutlich steigen, der Soli endgültig abgeschafft werden. Die AfD kämpfe für die Menschen, die was leisten. Wer sich in die soziale Hängematte lege, habe in Deutschland nichts zu suchen, wenn er kein Deutscher sei. "Soziale Hängematte": Diesen Begriff mag Chrupalla, benutzt ihn so oft, dass man schon ahnen kann: Das wird das Unwort des Jahres. Migranten, die sich nicht in der sozialen Hängematte ausruhen, seien herzlich willkommen, wenn die AfD regieren sollte.

"Jeder Migrant, der hierherkommt, der der Sprache mächtig ist, der hier arbeitet, ist in unserem Land herzlich willkommen. Migranten wählen uns auch aus diesen Gründen", sagt Chrupalla. Und: "Einer Fachkräftemigration stehen wir nicht im Wege." Außer wenn Fachkräftemigranten neben der Arbeit auch eine Wohnung suchen. Dann sind sie nicht willkommen. "Als Allererstes geht es natürlich um die eigene Bevölkerung, dass man der eher Wohnraum zukommen lässt als denen, die hierherkommen", stellt Chrupalla klar. "Dabei geht es aber um die Ausländer, die sich in die soziale Hängematte legen und die hauptsächlich von Sozialleistungen leben. Ich werde von deutschen Staatsbürgern gewählt und ich vertrete die Interessen der deutschen Bevölkerung und nicht von Ausländern." Wie war das noch? "Migranten wählen uns auch aus diesen Gründen."

"Das war ein Dammbruch"

"Es war eine schlimme Woche", beurteilt Gysi die Vorgänge in der vergangenen Woche im Parlament, "wie die CDU und die CSU zusammen mit der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht versucht haben, ein Gesetz durchzubekommen, das sie ohne die AfD nicht hätten durchziehen können." Merz habe gesagt, dass er so etwas nicht machen wolle. "Das war ein Dammbruch", sagt Gysi.

Blome versucht ein wenig, Merz in Schutz zu nehmen: "Er hat vorher gesagt, ich mache es nicht, aber in der Debatte gesagt, ich habe meine Meinung geändert. Da hat Merz schon mit offenen Karten gespielt und ehrlich das Visier hochgeklappt." Doch ganz überzeugt von seiner eigenen Argumentation scheint Blome selbst nicht zu sein. Für die Zukunft prophezeit der Journalist: "Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass sich das "parlamentarische System" mit neuen Mehrheiten auseinandersetzen muss. Es muss ja nicht jedes Mal so krachend an den Baum gehen wie bei Friedrich Merz am vergangenen Freitag."

Quelle: ntv.de

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