Anhand von Videos Israelische Experten erklären einige Geiseln für tot
03.12.2023, 14:14 Uhr Artikel anhören
Noch immer ist das Schicksal von mehr als 100 Menschen unklar.
(Foto: REUTERS)
Die Hamas-Terroristen stellen von den Massakern am 7. Oktober Aufnahmen ins Netz. Die Videos und Fotos nutzen nun israelische Expertinnen und Experten, um das Schicksal von Vermissten zu klären. Es ist eine akribische und belastende Arbeit.
Rund acht Wochen nach dem Hamas-Überfall haben israelische Expertinnen und Experten einige der damals verschleppten Geiseln für tot erklärt. Ihr Team stütze sich bei den Entscheidungen auf Video-Aufnahmen und Aussagen von freigelassenen Geiseln, sagte Kommissionsleiterin Hagar Misrahi vom israelischen Gesundheitsministerium dem israelischen Radiosender Kan.
In der aktuellen Ausnahmesituation sei es möglich, jemanden ohne eine ärztliche Leichenschau für tot zu erklären. Ziel sei es, Angehörigen entgegenzukommen. Ihnen solle die Möglichkeit zur Trauer gegeben werden, wenn keine Hoffnung mehr bestehe, dass die Angehörigen überlebt haben. Seit Ende der Feuerpause am Freitag haben die israelischen Behörden für sechs Zivilisten und einen Armee-Oberst den Tod in Gefangenschaft festgestellt.
Um solche Entscheidungen zu treffen, würden Filme von dem Überfall der Hamas am 7. Oktober genau untersucht, erklärte Misrahi. Dabei handele es sich um Aufnahmen, die die radikalen Islamisten selbst ins Netz gestellt haben. Sie stütze sich mit ihrem Team aber auch auf Videos von Palästinensern, die die Angriffe beobachtet und gefilmt hätten. Darüber hinaus gebe es Bilder von Überwachungskameras.
Einstellung für Einstellung
Das gesamte Material werde "immer und immer wieder, Einstellung für Einstellung" durchgegangen, sagt Misrahi. Zusammen mit einem Gerichtspathologen und einem auf körperliche Traumata spezialisierten Mediziner suche sie in den Aufnahmen nach lebensgefährlichen Verletzungen, die die Geiseln erlitten haben könnten, sowie nach augenscheinlich leblosen Körpern. Die Gewalt der Geiselnehmer, geringe Chancen auf angemessene medizinische Versorgung sowie Berichte Freigelassener über den Tod von Geiseln würden ebenfalls in die Bewertung einfließen.
"Jemanden für tot zu erklären, ist nie leicht - und dies sicher nicht, in der Lage in der wir im Moment sind." Bei der Entscheidung, eine Geisel für tot zu erklären, müsse in ihrem Team Einigkeit herrschen, sagte Misrahi. Die Experten stützen sich dabei auf das Gesamtbild.
Von den rund 240 Geiseln, die am 7. Oktober verschleppt wurden, wurden 108 während der vorübergehenden Feuerpause freigelassen. Die Hamas hat erklärt, Dutzende der Geiseln seien bei israelischen Luftangriffen ums Leben gekommen. Die Islamisten-Organisation hat auch damit gedroht, Geiseln hinzurichten. Zudem hat die Hamas angedeutet, dass einige Verschleppte in der Gewalt anderer Palästinenser-Milizen seien. Das israelische Militär hat die Leichen eines Soldaten und zweier Zivilisten geborgen. Eine Soldatin konnte befreit werden.
Misrahi sagte, bisher hätten alle betroffenen Familien die jeweilige Entscheidung des Teams akzeptiert. Aber auch wenn dies nicht der Fall sei, werde dies respektiert - wenn eine Familie beispielsweise erst bei der Übergabe einer Leiche zur Trauer bereit sei. Das Risiko, sich zu irren, dürfte Misrahis Team durch den Fall eines entführten Mädchens bewusst sein. Der Vater war bereits inoffiziell über den Tod seiner Tochter während des Hamas-Überfalls informiert worden. Das Kind war aber entführt worden und kam während der Waffenruhe frei.
Quelle: ntv.de, sba/rts