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Offene Fragen und etwas Hoffnung Ist ein Nahost-Frieden wirklich greifbar?

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Noch schweigen die Waffen nicht.

Noch schweigen die Waffen nicht.

(Foto: REUTERS)

Nach Monaten der Auseinandersetzungen scheint eine Annäherung von Israel und den Palästinensern möglich. Bis Sonntagnacht dauert das Ultimatum, das US-Präsident Donald Trump der Hamas gesetzt hat. Was wir wissen und was nicht.

Was hat sich in dem Konflikt verändert?

Innerhalb weniger Stunden gab es einige ermutigende Entwicklungen. Die Hamas erklärte sich bereit, alle verbliebenen Geiseln freizulassen und einer Machtabgabe im Gazastreifen sowie einzelnen Punkten eines US-amerikanischen Friedensplans zuzustimmen. Daraufhin signalisierte Israel seine Bereitschaft, die militärischen Angriffe im Gazastreifen zurückzufahren.

Was genau hat die Hamas zugesagt?

In ihrer Stellungnahme zum US-Friedensvorschlag erklärte sich die Gruppe bereit, "alle lebenden und toten israelischen Gefangenen gemäß der im Vorschlag von Präsident Donald Trump enthaltenen Austauschformel freizulassen, sofern die Bedingungen für den Austausch vor Ort erfüllt werden".

Wie viele israelische Geiseln hat die Hamas noch in ihrer Gewalt?

Man geht davon aus, dass die bewaffnete Terrorgruppe in dem palästinensischen Gebiet noch immer 48 Geiseln festhält, von denen nur noch 20 am Leben sein sollen.

Was könnte zu diesem Einlenken der Hamas geführt haben?

Vermutlich ist es ein Ergebnis der vergangenen Wochen, die in den militärischen Auseinandersetzungen zu einer Art Patt geführt hatten. Die israelischen Luftangriffe auf Ziele in Katars Hauptstadt Doha von Anfang September waren international auf scharfe Kritik gestoßen, auch wenn sie sich gegen die Führungsebene der Hamas richteten. Trump sieht Katar als wichtigen Verbündeten in der Golfregion. Gleichzeitig hatten sich bei der UN-Generalversammlung viele Staaten hinter den saudi-französischen Plan für einen Waffenstillstand und eine Zwei-Staaten-Lösung gestellt. Als maßgeblich für diese Reaktion wird aber angesehen, dass US-Präsident Donald Trump der Hamas wenige Stunden vor ihrer Stellungnahme am Freitag ein Ultimatum gestellt hatte. Darin verlangte er, dass die Gruppe bis Sonntagabend einer Waffenruhe zustimmen müsse. Ansonsten werde die "Hölle losbrechen, wie man sie noch nie gesehen hat".

Was würde das genau bedeuten?

Zu Beginn der Woche hatten Israel und die USA vereinbart, dass die USA Israel die "volle Unterstützung" gibt, sollte die Hamas Trumps 20-Punkte-Friedensplan nicht zustimmen. Das wurde allgemein als Bereitschaft zu massiver militärischer Unterstützung für Israel gewertet.

Hat die Hamas komplett eingelenkt?

Nein, die Hamas hat erklärt, dass sie alle toten und lebenden Geiseln, die sich in Gaza befinden, freilassen und die Macht in Gaza abgeben werde. In anderen Punkten gebe es noch Bedarf nach weiteren Konsultationen. Doch schon bei der Übergabe der Geiseln gibt es Probleme, weil die Hamas eigenen Angaben zufolge derzeit keine genauen Angaben zu deren Aufenthaltsorten hat. Der Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge soll einem Hamas-Funktionär zufolge beginnen, "sobald eine Vereinbarung zur Vorbereitung der Bedingungen vor Ort getroffen" worden sei. Israel soll rund 250 zu lebenslanger Haft verurteilte palästinensische Gefängnisinsassen freilassen sowie etwa 1700 nach dem 7. Oktober 2023 Inhaftierte.

Welche strittigen Punkte gibt es noch?

Die Hamas hat bisher ihrer Entwaffnung nicht zugestimmt. Das war ein Kernpunkt des Trump-Plans. Auch Israel hatte das immer zur Vorbedingung für ein Schweigen der Waffen gemacht. Einverstanden zeigte sich die Islamistenorganisation allerdings damit, dass das Gebiet nach Kriegsende zunächst von einer Übergangsregierung palästinensischer Technokraten unter Aufsicht eines internationalen Gremiums regiert werde. Es blieb aber unklar, ob sie damit auch der Forderung von Trumps Friedensplan zustimmte, dass sie dabei keine Rolle spielen darf. Die Zukunft des Gazastreifens und die "Grundrechte des palästinensischen Volkes" müssten in einem "einheitlichen palästinensischen Rahmen behandelt werden", sagte die Terrororganisation weiter, die Hamas müsse daran beteiligt sein.

Wie hat Israel auf die aktuellen Entwicklungen reagiert?

Israels Regierung erklärte nach der Äußerung der Hamas, dass sie die "sofortige Umsetzung" des Trump-Plans zur Befreiung der israelischen Geiseln aus dem Gazastreifen vorbereite. "Nach der Reaktion der Hamas bereitet sich Israel auf die sofortige Umsetzung der ersten Phase des Trump-Plans zur Freilassung aller Geiseln vor", hieß es überraschend am Samstag aus dem Büro von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Normalerweise werden am jüdischen Feiertag eher selten Erklärungen abgegeben. "Wir werden weiterhin eng mit dem Präsidenten und seinem Team zusammenarbeiten, um den Krieg im Einklang mit den von Israel festgelegten Grundsätzen zu beenden, die mit der Vision von Präsident Trump übereinstimmen", hieß es weiter.

Wie wurden die aktuellen Entwicklungen international aufgenommen?

Staats- und Regierungschefs aus aller Welt äußerten die Hoffnung auf eine baldige Waffenruhe im Gazastreifen. Bundeskanzler Friedrich Merz schrieb auf X, es gebe jetzt die "beste Chance" seit zwei Jahren, den Krieg zu beenden. Ein Frieden in Gaza sei in greifbare Nähe gerückt. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron forderte die Hamas auf, ihre Zusage unverzüglich umzusetzen. Der britische Premierminister Keir Starmer sprach von einem bedeutenden Schritt nach vorne. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, ein Ende des Krieges im Gazastreifen sei "in greifbarer Nähe".

Wie soll es jetzt weitergehen?

Das Ultimatum von Präsident Trump an die Hamas läuft am Sonntag um 18.00 Uhr Washingtoner Zeit ab (0.00 Uhr MESZ). Was dieser Zeitpunkt für alle Beteiligten genau bedeutet, ist unklar. Noch ist die israelische Armee weiter in Gaza-Stadt im Einsatz. Armeesprecher Avichay Adraee nannte eine Rückkehr in die Stadt im Onlinedienst X "extrem gefährlich". An die Bewohner gerichtet, erklärte der Armeesprecher auf Arabisch: "Zu Ihrer eigenen Sicherheit sollten Sie es vermeiden, in den Norden zurückzukehren oder sich Gebieten zu nähern, in denen IDF-Truppen im Einsatz sind - einschließlich des südlichen Gazastreifens."

Israels Armee soll sich laut dem von Trump am Montag vorgestellten Plan außerdem auf eine vereinbarte Linie zurückziehen, um die Geiselfreilassung vorzubereiten. Israelischen Medienberichten zufolge soll eine Delegation im Lauf des Tages zu Gesprächen reisen, die ab Sonntag in Ägypten stattfinden sollen. Dazu wird auch der US-Vermittler Steve Witkoff erwartet. In den Gesprächen soll es dem Vernehmen nach zunächst ausschließlich um die Geiseln gehen. Andere strittige Aspekte will Israel demnach erst später besprechen.

Frühere Rückschläge wie der gescheiterte Waffenstillstand im Frühjahr 2025 zeigen aber, dass jede Einigung zwischen den Konfliktparteien extrem fragil ist. Die Gewalt könnte schnell wieder aufflammen, falls einzelne Verhandlungspunkte nicht umgesetzt werden oder eine Seite Zusagen als nicht erfüllt betrachtet.

Quelle: ntv.de, sba

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