Von Ex-Berater attackiert Johnson nennt Vorwürfe realitätsfern
27.05.2021, 18:55 Uhr
Am Rande eines Besuchs in einer Klinik äußerte sich der britische Premier Boris Johnson zu den Anschuldigungen.
(Foto: REUTERS)
Der britische Premier reagiert auf die schweren Vorwürfe seines ehemaligen Top-Beraters Dominic Cummings. "Einige der Kommentare haben nichts mit der Realität zu tun", sagt Boris Johnson. Auf alle Anschuldigungen gegen ihn geht er jedoch nicht ein.
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat sich gegen Anschuldigungen seines ehemaligen Top-Beraters zur Corona-Politik gewehrt. "Einige der Kommentare, die ich gehört habe, haben nichts mit der Realität zu tun", sagte Johnson. Sein Ex-Chefberater Dominic Cummings hatte Johnsons Kabinett am Vortag bei einer Ausschussanhörung Unfähigkeit und "katastrophale" Versäumnisse in der Pandemie vorgeworfen. Besonders schlecht kam Gesundheitsminister Matt Hancock weg, der vor dem Parlament Fehler bestritt.
Auf die zentrale Behauptung von Cummings angesprochen, dass im vergangenen Jahr zehntausende Menschen unnötig gestorben seien, sagte Johnson: "Nein, nein, das glaube ich nicht." Natürlich habe es "eine unglaublich schwierige Reihe von Entscheidungen gegeben, von denen wir keine leichtfertig getroffen haben". Johnson bestand darauf, alles getan zu haben, um Leben zu retten.
"Zu jedem Zeitpunkt wurden wir von der Überzeugung geleitet, Leben zu schützen, Leben zu retten und sicherzustellen, dass der (Nationale Gesundheitsdienst) NHS nicht überlastet ist." Weiter wollte sich Johnson beim Besuch eines Krankenhauses in Colchester, 85 Kilometer nordöstlich von London, nicht zu den schweren Anschuldigungen äußern.
Großbritannien ist mit 150.000 Menschen, die mit oder an Corona gestorben sind, eines der am schwersten betroffenen Länder Europas. Mehrfach zögerte die Regierung, bevor ein landesweiter Lockdown verhängt wurde. Der große Erfolg der laufenden Impfkampagne hat das Ansehen der Regierung in der Wählergunst jedoch wieder steigen lassen.
Zuvor hatte sich bereits Gesundheitsminister Matt Hancock vor den Abgeordneten des Unterhauses gegen Cummings Vorwurf der Lüge gewehrt. "Ich war immer ehrlich zu den Menschen, in der Öffentlichkeit und im Privaten, jeden Tag" seit Beginn der Pandemie, sagte Hancock. Es gebe "mindestens 15 oder 20" Gründe, Hancock zu "feuern", hatte Cummings am Vortag gesagt. Er habe sowohl im Kabinett als auch öffentlich mehrfach gelogen. Der Gesundheitsminister hingegen erhielt nun Rückendeckung von Kollegen, darunter Staatssekretär Michael Gove. Hancock habe "einen großartigen Job" gemacht.
Johnson soll Corona verharmlost haben
Cummings hatte bei seiner Abrechnung am Mittwoch der Regierung Versagen vorgeworfen und sich bei seinen Landsleuten für sein eigenes Fehlverhalten in der Krise entschuldigt. "Als die Bevölkerung uns am meisten brauchte, hat die Regierung versagt", sagte der Ex-Berater. Johnson selbst habe die Corona-Pandemie zunächst als "Gruselgeschichte" abgestempelt und wegen der wirtschaftlichen Folgen keine Einschränkungen verfügen wollen. Noch im März sei der Premierminister der Ansicht gewesen, dass die "wahre Gefahr" nicht von Covid-19 ausgehe, sondern von den Eindämmungsmaßnahmen und der daraus folgenden "wirtschaftlichen Zerstörung".
Der Regierungschef habe sich sogar absichtlich das Virus live im Fernsehen injizieren lassen wollen, um zu zeigen, dass Corona nicht gefährlich ist, behauptete Cummings. Auf diese Behauptung ging der Premierminister nicht ein. Johnson infizierte sich später tatsächlich und musste tagelang - "fast auf dem Sterbebett", wie Cummings sagte - auf einer Intensivstation behandelt werden.
Cummings, der bereits die Brexit-Kampagne mitkonzipiert hatte und Ende 2020 seinen Posten als Chefberater räumen musste, hat sich inzwischen zu einem erbitterten Gegner des Premierministers gewandelt. Zwar steht Johnson wegen einiger Affären unter Druck, hat jedoch die Gunst vieler Wähler mit einer erfolgreichen Impfkampagne zurückgewinnen können. Mehr als zwei Drittel der Erwachsenen haben in Großbritannien mindestens eine Corona-Impfdosis erhalten.
Quelle: ntv.de, hul/AFP/dpa