Politik

"Putschartige Aktion" bemängelt Juncker kassiert Rüge in Selmayr-Affäre

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker

(Foto: picture alliance / Ye Pingfan/Xi)

Lange diskutiert das EU-Parlament über Kommissionspräsident Juncker und seinen überraschend berufenen Generalsekretär Selmayr. Doch am Ende wissen die Parlamentarier nicht einmal so recht, was sie da überhaupt beschlossen haben.

Wegen der umstrittenen Blitzbeförderung seines Vertrauten Martin Selmayr hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Rüge des Europaparlaments kassiert. Die Art der Berufung des Deutschen zum höchsten Beamten der Kommission "könnte als putschartige Aktion gesehen werden, die die Grenzen des Rechts dehnt oder sogar überdehnt", heißt es in einer verabschiedeten Resolution. Zudem sehen die Abgeordneten den Ruf aller europäischen Institutionen in Gefahr und fordern Korrekturen. Allerdings fiel der Beschluss nach wochenlangen Diskussionen über Postenschieberei zahmer aus als von einigen Abgeordneten gewünscht.

Der Text ist darüber hinaus so zweideutig formuliert, dass sich Abgeordnete danach nicht einig waren, ob ein neues Bewerbungsverfahren für den Selmayr-Posten gefordert wird oder nur eine Änderung für künftige Fälle. Etliche Änderungsanträge zur Verschärfung wurden abgelehnt, auch einer, der den sofortigen Rücktritt Selmayrs forderte. Die Kommission reagierte entsprechend gelassen auf den Parlamentsbeschluss.

Der Generalsekretär der EU-Kommission, Martin Selmayr

Der Generalsekretär der EU-Kommission, Martin Selmayr

(Foto: REUTERS)

Nach der Aufregung über die Personalie sei man nun an dem "Punkt angelangt, an dem wir all dies sachlich, objektiv und mit klarem Verstand betrachten müssen", meinte der für Personal zuständige Kommissar Günther Oettinger und wiederholte die bisherige Linie der Behörde: Alle Regeln seien befolgt worden und Selmayr sei für die Stelle qualifiziert. Gleichwohl sei man offen für eine konstruktive Diskussion, um Regeln und Verfahren zu verbessern.

Es ist der vorläufige Schlusspunkt einer sehr aufgeregten Debatte über die Benennung Selmayrs, der in Brüssel als machtbewusster und einflussreicher Mann hinter Juncker gilt. Der 47-Jährige war Junckers Kabinettschef und wurde dann am 21. Februar überraschend zunächst zum stellvertretenden Generalsekretär und wenige Minuten später zum Generalsekretär der EU-Kommission befördert. Es ist der höchste Job für einen Beamten in der 33.000 Leute starken Brüsseler Behörde. Das Parlament kritisierte vor allem, dass der Spitzenposten nicht ausgeschrieben, sondern in dem zweistufigen Blitzverfahren besetzt wurde. Dabei wussten Juncker und Selmayr nach eigenen Angaben schon jahrelang, dass der Posten im März 2018 frei würde.

"Mauscheleien" beschädigen Ruf der Kommission

Bei der Beförderung Selmayrs seien die Bestimmungen des EU-Beamtenstatuts "großzügig ausgelegt" worden, heißt es nun in der Parlaments-Entschließung. "Möglicherweise" sei sogar gegen die Regeln verstoßen worden. Juncker habe über seine Pläne nur den Vizepräsidenten der Kommission, Frans Timmermans und Haushalts-Kommissar Oettinger informiert, sagte der deutsche Grüne Sven Giegold, der dem Haushaltskontrollausschuss angehört. Die übrigen Kommissare seien "schlicht überrumpelt" worden. Der SPD-Abgeordnete Arndt Kohn sprach von "Mauscheleien", die den Ruf der Kommission beschädigt hätten.

Das Verfahren und die Art, wie darüber informiert wurde, habe das Ansehen der Kommission beschädigt, heißt es in dem Parlamentsbeschluss weiter. Journalisten und Abgeordnete hatten die Kommission wochenlang mit Fragen bestürmt, auf die Oettinger mit seitenlangen Antwortkatalogen und in einer mündlichen Anhörung reagierte. Auf dem Höhepunkt der hitzigen Debatte soll Juncker in einer internen Sitzung der Europäischen Volkspartei mit Rücktritt gedroht haben, falls Selmayr gehen müsste. Tatsächlich bangten einige Abgeordnete nach Angaben aus dem Parlament, dass ein Sturz Junckers oder gar der ganzen Kommission gut ein Jahr vor der nächsten Europawahl nur Verdruss stiften würde.

Der Grünen-Abgeordnete Giegold äußerte sich dennoch verärgert: "In Zeiten von Skepsis und Misstrauen gegenüber der Europäischen Union haben Jean-Claude Juncker und Martin Selmayr Öl ins Feuer gegossen und den Eindruck der Europäischen Union als Selbstbedienungsladen befeuert." Die Fraktion der Sozialdemokraten erklärte: "Der Selmayr-Skandal hat die europäischen Bürger zu Recht geärgert, er war für alle Institutionen peinlich und hat jene frustriert, die für eine faire und bessere EU kämpfen. Das darf nie wieder passieren."

Auch die Chefin des Haushaltskontrollausschusses, die CDU-Abgeordnete Inge Gräßle bedauerte, dass die Art und Weise der Berufung öffentliche Missbilligung erweckt habe. Doch habe der Ausschuss keine rechtliche Basis gefunden, Selmayrs Rücktritt zu fordern. Die Kommission solle ihre Regeln bis Jahresende ändern, um künftig Transparenz und Integrität bei solchen Berufungen sicherzustellen.

Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP/rts

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