Letzte Generation bei Lanz "Kann verstehen, dass die Menschen wütend sind"


Theodor Schnarr enagiert sich seit anderthalb Jahren bei der Letzten Generation.
(Foto: picture alliance/dpa)
In der letzten Sendung vor der Sommerpause hat sich Markus Lanz am Donnerstagabend mit seinen Gästen über die Diskussionskultur und die Aktionen der Letzten Generation unterhalten. Dabei erklärt ein Klimaaktivist seine Vorstellung von dem Gesellschaftsrat, den die Klimakleber fordern.
"Sie wollen, dass ich viele Sachen erkläre, und dann fallen Sie mir immer ins Wort", beklagt sich der Sprecher der Letzten Generation, Theodor Schnarr, im Laufe der letzten Markus-Lanz-Talkshow vor der Sommerpause am Donnerstagabend. Und er hat recht mit seiner Kritik.
Eigentlich soll es in der Sendung um die Diskussionskultur in Deutschland gehen. Und da haben die Gäste zwar zum Teil unterschiedliche Ansätze, im Prinzip sind sie jedoch der gleichen Ansicht: Es läuft etwas falsch. So erklärt der Psychiater und Theologe Manfred Lütz, es gebe gerade in der Klimadiskussion zwei Seiten, die sich in ihren Ansichten gegenseitig radikalisieren. Darum fordert er: "Wir müssen sehen, dass wir zwischen diesen beiden Inseln irgendeine Form der Kommunikation herstellen." In der anschließenden Diskussion mit Theodor Schnarr trägt er nicht allzu viel dazu bei.
"Die meisten Menschen wissen nicht mehr, wie man streitet, wie man zuhört, wie man Anerkennung für den Anderen mit Neugier verbindet", kritisiert Publizist Michel Friedman. In der Diskussion mit Schnarr zeigt er dann seine Neugierde. Allerdings tragen die häufigen Ablenkungen von Moderator Markus Lanz und dessen ständige Unterbrechungen erst einmal nicht dazu bei, dass Friedmans Neugierde befriedigt wird. Dessen bekannten Sturheit ist es dann zu verdanken, dass Schnarr am Ende die aktuellen Ziele der Letzten Generation erklären kann, und vor allem Friedmann hält kompetent dagegen.
Die Ethikratsvorsitzende Alena Buyx weist darauf hin, dass es neben den beiden Seiten in der Klimadiskussion auch die große Mitte gibt. "Die ist nicht laut, aber sie ist da." Und Buyx ist es, die dieser Mitte bei Lanz eine Stimme gibt. So analysiert sie: "Die notwendigen Entscheidungen, die es gerade mit Blick auf den Klimawandel gibt, sind sehr lange verschleppt worden. Und jetzt muss es schnell gehen. Dabei trifft es die Lebenswelt von sehr vielen Menschen, und das macht Angst."
"Das ist der Feueralarm"
Schnarr engagiert sich seit anderthalb Jahren bei der Letzten Generation, sagt er bei Lanz. Die Tatsache, dass es immer heißer wird, betreffe alle Menschen. "Die Klimathematik ist nicht eine unter vielen, sondern sie ist grundlegend für jede andere", sagt er. Die Aktionen der Klimakleber seien "Der Feueralarm, der uns mitten in der Nacht weckt", so Schnarr. "Dieser Feueralarm sagt, dass unser Haus brennt. Und der, der das Telefon für den Anruf bei der Feuerwehr hat, telefoniert seit zwanzig Jahren mit der Öl- und Gaslobby."
Für Michel Friedman brennt das Haus noch nicht. Die Letzte Generation reklamiere das absolute Wissen für sich, das mache ihm Bauchschmerzen. "Nicht alle Wissenschaftler sind ihrer Meinung. Sie betrachten das Leben der Menschheit linear. Ich habe gelernt, dass die Menschheit an ganz unterschiedlichen Plätzen der Welt viele Katastrophen abgewendet hat, weil irgendwelche neuen Ideen gekommen sind."
Eine solche Idee könnte nach Ansicht der Letzten Generation ein Gesellschaftsrat sein. Friedman fragt danach, Lanz lässt die Gäste lieber über den Sinn der Klimaproteste diskutieren. Doch Friedman lässt sich nicht von seiner Frage abbringen, und beim zweiten Nachfragen lässt Lanz den Klimaaktivisten endlich antworten.
Klimakleber wollen kein 9-Euro-Ticket mehr
Im vergangenen Jahr habe es die Forderungen nach einem 9-Euro-Ticket und einem Tempolimit auf der Autobahn gegeben, erklärt Schnarr. "Das waren einfachste Sicherheitsmaßnahmen, die wir gefordert haben. Aber selbst die konnte die Bundesregierung nicht umsetzen. Dadurch kam der Entschluss: Dann muss man sich helfen lassen, von der Gesellschaft, von uns."
Darum will die Letzte Generation einen Gesellschaftsrat schaffen. Im Groben sieht der Plan so aus: Jeder Bundesbürger wird eingeladen, in diesem Rat zu diskutieren. Wer will, kann sich melden. Dann werden 160 Menschen ausgelost, die sich von Wissenschaftlern über die Klimaproblematik informieren lassen. Ihre Aufgabe ist es dann, einen Plan zu machen, wie Deutschland ab 2030 keine fossilen Energien mehr verwendet. Der wird dann der Bundesregierung vorgelegt, die ihn umsetzen muss.
Friedman hat ein grundsätzliches Problem damit, "Dass ein Los in einer Demokratie einen Menschen legitimieren darf, Entscheidungen zu treffen." Buyx findet die Idee gut, allerdings ist sie dagegen, dass ein solches Gremium Entscheidungen trifft. "Das ist für mich ein Spielchen", findet Lütz – und möchte lieber über das Gewaltpotential der Klimaproteste reden.
"Unsere Aktionen sind friedlich"
Schnarr lässt sich kurz ablenken: "Ich kann verstehen, dass die Menschen wütend sind, und ich mache das auch nicht gerne, aber unsere Aktionen sind friedlich." Dann kommt er aber wieder auf den Gesellschaftsrat: "Es wird immer gesagt, unsere Gesellschaft sei im von der Bevölkerung gewählten Bundestag repräsentativ abgebildet. Aber das stimmt nicht." Im Bundestag seien 86 Prozent Akademiker und Akademikerinnen, in der Bevölkerung nur 14 Prozent. Der Bundestag könne die Meinung der gesamten Bevölkerung nicht abbilden. "Das ist etwas, das der Gesellschaftsrat schaffen kann, dass er eine Abbildung unserer Gesellschaft schafft."
"Das ist Quatsch", fährt Lanz seinem Gast plötzlich über den Mund. Die Menschen würden Akademiker wählen, weil die Gesetze besser verstünden. "Diese These stimmt nicht", drückt sich Friedman journalistisch korrekter aus – und weist darauf hin, dass die Politiker zum Beispiel beim Heizungsgesetz sehr wohl die Meinung der Bürger wahrgenommen hätten.
Am Ende ist es Alena Buyx, die die Diskussion zu entspannen versucht und einen interessanten Weg aufzeigt: "Ich würde uns ermuntern, diese Art von partizipativen Elementen für die Gesellschaft zu nutzen – und all das, was sie uns bringen können. Und der Letzten Generation würde ich empfehlen, ein anderes Hauptziel anzustreben bei ihren Protesten, denn sonst werden die Leute sauer, weil sie im Stau stehen und nicht zur Arbeit kommen."
Quelle: ntv.de