Kritik an Booster für alle Kassenärzte wollen Spahn-Empfehlung nicht folgen
02.11.2021, 14:00 Uhr
Für seinen Vorstoß, Booster-Impfungen für alle anbieten zu wollen, bekommt Spahn starken Gegenwind. Stiko und Kassenärzte plädieren dafür, auf die Alten und Gefährdeten zu fokussieren. Sie wollen sich "sehr stringent" an die Stiko-Empfehlung halten.
Der Aufruf des geschäftsführenden Gesundheitsministers Jens Spahn zu einer Booster-Impfung für zweifach Geimpfte stößt auf deutliche Kritik. Es sei nicht hilfreich, wenn die Rahmenbedingungen für die Auffrischungsimpfungen "alle paar Wochen geändert würden", sagte Andreas Gassen, der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin. "Jetzt Booster-Impfungen wahllos für alle zu empfehlen, macht keinen Sinn." Er verwies auf die relativ hohe Quote von Menschen, die noch gar nicht geimpft seien. Gassen betonte, dass sich die Kassenärzte "sehr stringent" an die Stiko-Empfehlung hielten.
Politik sollte entweder eine klare Ansage machen mit Impfpflicht et cetera oder sich der ärztlichen Empfehlung fügen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Booster-Impfung erst für Personen ab einem Alter von 70 Jahren. "Schwierig ist, wenn wir eine Ständige Impfkommission haben, die macht eine Empfehlung, die Ärzteschaft stellt sich da geschlossen hinter, und Politik gibt dann so eine Empfehlung aus Bauch-Evidenz", sagte Gassen. "Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht."
Aus Sicht der KBV bedarf es keiner weiteren nationalen Kampagne, um die Booster-Impfungen zu beschleunigen, sondern man müsse diese Personengruppen, die ja größtenteils impfwillig seien, gezielt ansprechen, sie müssten in einem geordneten Verfahren angeschrieben werden.
Es komme darauf an, die Menschen zuerst zu schützen, die die Impfung am dringendsten benötigen, sagte der STIKO-Vorsitzende Thomas Mertens. Gesunde Menschen mittleren Alters mit Grundimmunisierung könnten davon ausgehen, dass sie noch ausreichend Schutz vor einer schweren Covid-19-Erkrankung haben. Zwar lasse der Schutz vor Ansteckung mit der Zeit nach, nicht aber der Schutz vor einer schweren Erkrankung. Mertens betonte, es gelte auch die noch klaffenden Impflücken bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 59 Jahren zu schließen. Die Impfquoten seien hier unzureichend.
15 Millionen Booster sind "machbar"
Nach Ansicht Gassens müssen bis Ende Dezember 15 Millionen Menschen in Deutschland eine Booster-Impfung verabreicht bekommen. "Das ist machbar", die Arztpraxen in Deutschland seien dazu in der Lage, sie könnten bis zu 3,5 Millionen Impfungen pro Woche vornehmen. Allerdings müssten "dafür die Rahmenbedingungen stimmen". So müsse etwa geklärt werden, wie mit bestellten Impfdosen umgegangen werde, die in den Praxen dann doch nicht verabreicht werden könnten.
Über eine Impfpflicht für Pflegepersonal sollte aus Sicht Gassens diskutiert werden. Der KBV-Vorsitzende hält eine solche Debatte für berechtigt, obwohl er generell gegen eine Impfpflicht sei. "Grundsätzlich ist die Impfentscheidung eine freiwillige Entscheidung", sagte er. Aus seiner Sicht ist es bei Pflegepersonal aber auch "eine Frage des Selbstverständnisses". Er halte es für sehr schwierig, wenn Pflegepersonal in Einrichtungen nicht geimpft sei. Es gebe zum Teil Impfquoten, "die zur Sorge Anlass geben". Das pflegerische Personal, "das dann nicht geimpft ist, das kann eigentlich keinen Patientenkontakt haben".
Quelle: ntv.de, fni/dpa