Letzte Rede zum Nahostkonflikt Kerry: Zweistaatenlösung ist einziger Weg
28.12.2016, 19:18 Uhr
John Kerry scheidet am 20. Januar 2017 aus seinem Amt als US-Außenminister.
(Foto: dpa)
Jerusalem soll die Hauptstadt zweier Staaten sein, fordert der US-Außenminister. In seiner letzten Rede zu Nahost sagt Kerry, dass es nur mit der Zweistaatenlösung dauerhaft Frieden geben könne. Auch die UN-Resolution gegen den Siedlungsbau verteidigt er.
Der scheidende US-Außenminister John Kerry hat in deutlichen Worten an Israelis und Palästinenser appelliert, die Zweistaatenlösung nicht aufzugeben. Diese sei die einzige Möglichkeit, dauerhaft Frieden zu schaffen, sagte Kerry in Washington. Die USA wünschten sich eine Zukunft Israels als "jüdischer und demokratischer Staat, der in Frieden und Sicherheit Seite an Seite mit seinen Nachbarn lebt". Derzeit sei die Zweistaatenlösung jedoch "ernsthaft gefährdet".
Eine Beibehaltung des Status quo würde einer "dauerhaften Besatzung" gleichkommen, warnte Kerry. Die "Siedler-Agenda" gefährde auch Israels Zukunft. Es gebe eine "fundamentale Realität": Wenn Israel eine Einstaatenlösung wolle, könne dieser Staat nur "entweder jüdisch oder demokratisch" und nicht beides zugleich sein, sagte Kerry.
Jerusalem solle "Hauptstadt zweier Staaten" in den Grenzen von 1967 sein, forderte der US-Außenminister. Dabei könne ein Austausch von Land im gegenseitigen Einvernehmen hilfreich sein. Schließlich müsse Israel als jüdischer Staat anerkannt werden.
Kerry verteidigt Enthaltung im UN-Sicherheitsrat
Es war Kerrys letzte große Rede zum Nahostkonflikt, bevor der Demokrat am 20. Januar 2017 aus dem Amt scheidet. Er verteidigte darin auch die Enthaltung seiner Regierung im UN-Sicherheitsrat zur israelischen Siedlungspolitik. Man habe im Einklang mit amerikanischen Werten gehandelt, sagte Kerry. Es sei ein Bemühen gewesen, an einer Zweistaatenlösung festzuhalten.
Der UN-Sicherheitsrat hatte am Freitag erstmals seit 1979 eine Resolution gegen den israelischen Siedlungsbau verabschiedet. Darin hatte der Sicherheitsrat Israel zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ost-Jerusalem aufgefordert. 14 Länder stimmten dafür, die USA verzichteten auf ihr Vetorecht und enthielten sich. Israel hatte das UN-Votum scharf kritisiert.
Derzeit leben rund 430.000 jüdische Siedler im besetzten Westjordanland und mehr als 200.000 im von Israel annektierten Ost-Jerusalem. Der israelische Siedlungsbau wird international als eines der größten Hindernisse für eine dauerhafte Friedenslösung im Nahost-Konflikt angesehen.
Netanjahu: Kerry ist voreingenommen
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte Kerrys Rede eine "große Enttäuschung". Er sagte, der US-Außenminister sei "Israel gegenüber voreingenommen". "Über eine Stunde lang hat Kerry sich zwanghaft mit den Siedlungen befasst und kaum mit der Wurzel des Konflikts - der Opposition der Palästinenser gegen einen jüdischen Staat in irgendwelchen Grenzen", sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist enttäuscht von Kerrys Rede.
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Kernproblem des Konflikts sei weiter die Weigerung der Palästinenser, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. "Wie kann man Frieden schließen mit jemandem, der uns unser Existenzrecht abspricht?" Es sei "schade, dass Außenminister Kerry diese einfache Wahrheit nicht sieht". Seine Verurteilung des Terrors sei ein "reines Lippenbekenntnis" gewesen. "Wenn die US-Regierung den palästinensischen Terror so bekämpft hätte wie den Häuserbau in Jerusalem, dann hätte der Frieden vielleicht eine Chance gehabt", sagte Netanjahu.
Netanjahu behauptete ferner, Israel habe eindeutige Beweise dafür, dass die Obama-Regierung die Resolution des Weltsicherheitsrates gegen Israels Siedlungspolitik eingefädelt habe. Man wolle diese der neuen Regierung des künftigen US-Präsidenten Donald Trump vorlegen. Kerry hatte diesen Vorwurf in seiner Rede zurückgewiesen.
Israels Oppositionsführer Izchak Herzog hat Kerry nach seiner Nahost-Rede als "großen Freund Israels" bezeichnet. Dies sei immer so gewesen und werde immer so bleiben, twitterte Izchak Herzog. "Seine Rede hat echte Sorge über Israels Sicherheit und Zukunft ausgedrückt", schrieb Herzog.
NGO: Grünes Licht für Siedlungsneubau
Inzwischen hat die Stadtverwaltung von Jerusalem Aktivisten zufolge grünes Licht für einen umstrittenen Siedlungsneubau im Ostteil gegeben. Im palästinensischen Stadtteil Silwan soll nun ein vierstöckiges Gebäude gebaut werden, wie die Nichtregierungsorganisation Ir Amim mitteilte. Die Baugenehmigung wurde demnach nur wenige Stunden vor Kerrys Rede erteilt.
Silwan grenzt unmittelbar an die Jerusalemer Altstadt. Das Bauprojekt wurde von Mitgliedern der religiösen nationalistischen Organisation Ateret Cohanim vorangetrieben. Palästinensische Einwohner Silwans laufen dagegen Sturm, weil sie ihre Verdrängung aus dem Stadtteil befürchten.
Ein anderes Projekt hatte Netanjahu zuvor erst einmal vorübergehend ausgesetzt. Er ließ eine Abstimmung über Hunderte neue Siedlerwohnungen im palästinensischen Ost-Jerusalem verschieben, um vor Kerrys Rede die Spannungen mit den USA nicht weiter anzuheizen, wie ein Vertreter des Planungsausschusses von Jerusalem sagte. Kerry hatte als Vermittler die vorerst letzten Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern ermöglicht. Diese scheiterten dann im April 2014.
Die Palästinenser sind nach den Worten ihres Präsidenten Mahmud Abbas bereit zu Verhandlungen mit Israel, falls das Land seinen Siedlungsbau in den Palästinensergebieten einstellt. Sobald die israelische Regierung dem Stopp aller Siedlungsaktivitäten und der Umsetzung der gemeinsamen Vereinbarungen zustimme, stehe die palästinensische Führung zur Wiederaufnahme von Verhandlungen auf Grundlage des Völkerrechts und internationaler Resolutionen zur Verfügung, sagte Abbas. Dabei müsse ein festgelegter Zeitrahmen gelten.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP