"Leider sehr viele Fälle" Kiew wirft russischem Militär Vergewaltigung vor
04.03.2022, 17:07 Uhr
Geflüchtete Frauen und Kinder aus der Ukraine ruhen sich am Freitag auf Feldbetten im Hauptbahnhof München aus.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Immer wieder betont der Kreml, dass der russische Angriff nicht der Zivilbevölkerung gilt. Der ukrainische Außenminister berichtet allerdings nun erstmals auch von Vergewaltigungen durch russische Soldaten beim Kampf um die Städte und fordert ein Sondertribunal für Kriegsverbrechen.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat russischen Soldaten Vergewaltigung von Frauen in den Kampfgebieten vorgeworfen. Seit Russlands Großangriff auf die Ukraine habe es "zahlreiche Fälle" von Vergewaltigungen gegeben, sagte Kuleba bei einer Gesprächsrunde in London, an der er virtuell teilnahm. Er forderte ein Sondertribunal zur Ahndung der von Kremlchef Wladimir Putin begangenen "Verbrechen der Aggression".
"Wenn Bomben auf Ihre Städte regnen, Soldaten in besetzten Städten Frauen vergewaltigen - und wir haben leider viele Fälle, in denen russische Soldaten in ukrainischen Städten Frauen vergewaltigen - ist es natürlich schwierig, über die Wirksamkeit des Völkerrechts zu sprechen", sagte der ukrainische Minister. "Aber es ist unser einziges verfügbares Instrument, um sicherzustellen, dass am Ende alle, die diesen Krieg möglich gemacht haben, vor Gericht gestellt werden", fügte er hinzu.
Russland war vor mehr als einer Woche in die Ukraine einmarschiert. Die UN-Vollversammlung forderte Moskau am Mittwoch zum "sofortigen" Abzug aus dem Nachbarland auf. Auch der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) nahm mittlerweile Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine auf.
UN dokumentieren zivile Opfer
Während sich die Vorwürfe Kulebas zunächst nicht unabhängig überprüfen ließen, dokumentierte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte bis Donnerstag um Mitternacht den Tod von 331 ukrainischen Zivilisten. Darunter seien 19 Kinder gewesen, berichtete das Büro am Nachmittag in Genf. Zudem lägen verifizierte Informationen über 675 Verletzte vor, darunter 31 Kinder.
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, betont stets, dass die wahren Zahlen mit Sicherheit deutlich höher liegen. Mitarbeiter brauchten oft Tage, um Opferzahlen zu überprüfen. Das Hochkommissariat gibt nur Todes- und Verletztenzahlen bekannt, die es selbst unabhängig überprüft hat.
Auch der irische Außenminister Simon Coveney sprach angesichts der Berichte über Angriffe Russlands auf die Zivilbevölkerung in der Ukraine von Kriegsverbrechen. Man sehe Bilder von Wohnblöcken in Arbeitervierteln, in denen die Hälfte der Gebäude in Schutt und Asche liege und von verkohlten Leichen auf den Straßen. "Das sind Kriegsverbrechen", sagte er am Rande eines Sondertreffens der Außenminister der EU-Staaten zur Lage in der Ukraine. Er betonte zudem: "Ich glaube nicht, dass es heute noch glaubwürdige Argumente gibt, dass nicht täglich Kriegsverbrechen begangen werden, dass Zivilisten angegriffen werden, dass zivile Gebiete angegriffen werden."
Quelle: ntv.de, mau/AFP