Ukraine-Talk bei Maybrit Illner Kiews Vize-Verteidigungsministerin nennt Russen "östliche Barbaren"


"Wie soll man Verhandlungen führen mit einem Land, das sich an keine Regeln der zivilisierten Welt hält?", fragt stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar (Archiv).
(Foto: picture alliance / Photoshot)
Noch immer ist kein Ende des Krieges in der Ukraine abzusehen. Die Armee des Landes braucht weitere Waffen, unter anderem Taurus-Marschflugkörper. Eine Entscheidung über deren Lieferung könnte in der kommenden Woche fallen.
Die ukrainische Armee wehrt sich mit allen Kräften gegen die russischen Invasoren. Doch die aktuelle Offensive läuft nicht so, wie westliche Strategen es sich wünschen. Sie kommt nur langsam voran. Das aktuelle Ziel: Die Krim soll von den anderen besetzten Gebieten abgeschnitten werden. Zuletzt gab es Kritik der Verbündeten an der Taktik der Armee. Die Regierungen in Washington und Berlin zögern derweil dringend benötigte Waffenlieferungen hinaus. Dabei geht es vor allem um deutsche Taurus-Marschflugkörper, die eine Reichweite von etwa 500 Kilometer haben. Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock begründen das Zögern mit technischen Fragen, die noch geklärt werden müssen. In der ZDF-Talkshow Maybrit Illner haben sich die Gäste am Donnerstagabend mit den Entwicklungen im Ukraine-Krieg beschäftigt.
Der Grünen-Co-Vorsitzende Omid Nouripour deutete dabei an, dass die dringende Lieferung der Taurus-Marschflugkörper bald beschlossen werden könnte. In der kommenden Woche ist am Rande der UN-Vollversammlung ein Treffen von US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Scholz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geplant. Dabei könnte auch über Waffenlieferungen gesprochen werden.
"Sehr gut vorbereitete Aktion"
Am Dienstag hat die Ukraine den Hafen der Stadt Sewastopol bombardiert und dabei zwei russische Kriegsschiffe zerstört. Von einer "gut vorbereiteten Aktion" spricht der Militärexperte Gustav Gressel bei Maybrit Illner. In den letzten Wochen hatten laut Gressel ukrainische Spezialkräfte mit Marschflugkörpern wichtige russische Flugabwehrstellungen angegriffen. Zum Einsatz seien vermutlich britische Storm Shadows gekommen, sehr präzise Geräte, so Gressel. Zudem hatte die ukrainische Armee zwei russische Ölplattformen eingenommen und dort stationierte Radargeräte abgebaut. Damit habe sie verhindert, dass Russland vor dem Angriff am Dienstag gewarnt werden konnte. "Die Wracks der Kriegsschiffe blockieren jetzt das einzige Trockendock auf der Krim, das militärisch für die Schwarzmeerflotte geeignet ist. Dadurch werden die Reparaturmöglichkeiten für russische Kriegsschiffe behindert", so Gressel. Der Hafen von Sewastopol könne nun nicht mehr dauerhaft militärisch genutzt werden. Die russischen Seeoperationen könnten nicht mehr so effektiv sein.
Für die Ukraine war das ein wichtiger Etappensieg. Die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar erklärt stolz: "Die Ukraine befindet sich in einer äußerst schwierigen Situation. Wir haben wenige Kämpfer und noch viel weniger Waffen. Eigentlich sind wir dem Feind unterlegen. Trotzdem haben wir das Risiko in Kauf genommen und die jetzige Offensive gestartet. Und es gelingt uns, Territorium zurückzuerobern."
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen weist auf die aktuelle Strategie der ukrainischen Armee hin. Sie forciere den Druck auf die Krim. Damit wolle sie eine negative Wirkung auf die russische Innenpolitik erreichen. "Wenn die Krim verlorenzugehen droht, verspricht man sich eine Destabilisierung Russlands und des Putin-Regimes, um dadurch zu einer politischen Lösung zu kommen." Die Ukraine erhoffe sich so Veränderungen in Russland. "Das ist auch der einzige Weg, wie man zu einer Friedenslösung kommen kann. Denn mit Putin wird es keine Verhandlungen geben, weil er das nicht will." Würde die ukrainische Offensive nicht erfolgreich sein, verlängere das den Krieg. "Und ich finde es ungeheuerlich, dass wir den Ukrainern für diesen Weg nicht alles geben, was wir haben."
"Wir reden nicht nur über die Ukraine"
Die ukrainische Ministerin fügt hinzu: "Wir reden nicht nur über die Ukraine. Dies ist ein Krieg der östlichen Barbaren gegen die westliche Zivilisation. Alle westlichen Völker müssen sich die Frage stellen, ob sie in einer Welt leben wollen, in der ein Land andere Länder vernichtet. Und ich frage Sie: Wie soll man Verhandlungen führen mit einem Land, das sich an keine Regeln der zivilisierten Welt hält?"
Deswegen sei die Lieferung neuer Waffen wie der deutschen Taurus-Marschflugkörper dringend notwendig, sind sich die Gäste bei Illner einig. Doch Gustav Gressel nennt noch einen weiteren Punkt: "Wir dürfen nicht vergessen, die Waffensysteme zu nähren, die wir schon geliefert haben. Da geht es um Munition, Ersatzteile und weiteres Gerät. Wenn wir die Industrie hochfahren und liefern, was die Ukraine braucht, so dass man das auch in Moskau sieht, dann verschieben sich dort die Wahrnehmungen. Doch so weit sind wir noch nicht." Das gelte nicht nur für Deutschland, sondern auch für viele andere europäische Länder, die sich im politischen Kleinklein verstrickten.
Quelle: ntv.de