"Gesünder als viele andere" Kreml-Überläufer packt über Putin aus
07.04.2023, 08:52 Uhr Artikel anhörenDie russische Präsidentengarde FSO ist nicht nur für die Sicherheit von Wladimir Putin verantwortlich, sondern auch für dessen Kommunikation. Die ist eher altertümlich, wie ein geflohener Offizier in einem Interview berichtet. Informationen bezieht Putin demnach vor allem von seinen Geheimdiensten.
Der russische Präsident Wladimir Putin lebt nach Angaben eines geflohenen Offiziers der russischen Präsidentengarde FSO in einem Informationsvakuum. "Er benutzt kein Mobiltelefon. Jedenfalls habe ich in all meinen Dienstjahren keines gesehen", erklärt der Überläufer namens Gleb Karakulow in einem Interview mit dem vom russischen Oppositionellen Michail Chodorkowski finanzierten Dossier Center. Auch das Internet meidet Putin demnach: "Er bezieht Informationen ausschließlich aus seinem engsten Kreis."
Karakulow arbeitete nach eigenen Angaben von 2009 bis zu seiner Flucht im Herbst 2022 in der Kommunikationsabteilung des FSO in Moskau. Laut eigener Aussage nutzte er im vergangenen Oktober eine Geschäftsreise für die Flucht mit seiner Frau und Tochter über Kasachstan in die Türkei. Das Dossier Center hat seine Angaben und Papiere gegengecheckt. Seine Aussagen können dennoch nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Das Interview liegt auch als Youtube-Video auf Russisch mit englischen Untertiteln vor.
Reisen ohne Internet
Zu den Aufgaben von Karakulow gehörte es demnach, auf Reisen die Kommunikation Putins und des russischen Premierministers Michail Mischustin zu verschlüsseln - sowohl in Russland als auch im Ausland. "Wenn wir mit dem Premierminister unterwegs waren, ist normalerweise jemand mitgereist, der für das Internet zuständig war. Ein digitales Büro mit Laptop und Zugang zum Netzwerk", erklärt der geflohene Offizier in dem Interview weiter. "Wenn wir mit Putin unterwegs waren, wurde diese Person nicht gebraucht. Warum auch?"
Die meisten Informationen bezieht Putin demnach von seinen Geheimdiensten. Außerdem soll der russische Präsident darauf bestehen, dass russisches Fernsehen verfügbar ist, egal wohin er reist und wo er übernachtet.
"Ich halte ihn für einen Kriegsverbrecher"
Als Grund für seine Flucht gibt Karakulow den Angriff auf die Ukraine an. "Mein Vertrag wäre in zwei Jahren ausgelaufen. Ich wollte ihn nicht verlängern, sondern in den Ruhestand gehen", erzählt er. Dann sei im Februar 2022 der Krieg ausgebrochen. "Ich konnte keine Kompromisse mehr machen und diesem Präsidenten dienen. Ich halte ihn für einen Kriegsverbrecher." Im Anschluss will er über mehrere Monate seine Flucht geplant haben.
Den Kremlchef zeichnet der frühere Offizier als sehr um seine Gesundheit besorgte Person. "Ja", antwortet Karakulow auf die Frage, ob sich Putin nach wie vor im Lockdown befindet. "Wir haben einen Präsidenten, der sich selbst isoliert. Vor jeder Veranstaltung mit ihm müssen wir uns zwei Wochen in Quarantäne begeben, selbst wenn sie nur 15 Minuten dauert. Nur wer in Quarantäne war, wird als 'sauber' betrachtet und darf im selben Raum wie Putin arbeiten."
Viele PCR-Tests, gute Gesundheit
Warum der Kreml auf diesem strengen Corona-Regelwerk besteht, kann sich Karakulow nicht erklären. "Jeder musste sich impfen lassen. Unsere Gesundheit wird rund um die Uhr überwacht, wir machen regelmäßige Tests", erzählt er. "Ich weiß, dass jedes Mitglied von Putins Stab mehrere PCR-Tests pro Tag machen muss, aber ich habe keine Ahnung, warum. Wahrscheinlich sorgt er sich nur um seine Gesundheit."
Gerüchte, dass sich der russische Präsident bei schlechter Gesundheit befindet, kann Karakulow dennoch nicht bestätigen. Vor der Pandemie mussten demnach in elf Jahren Dienstzeit nur ein oder zwei Reisen aufgrund von Putins Gesundheit abgesagt werden. "Wenn er gesundheitliche Probleme hat, dann nur aufgrund seines Alters. Aber es ist sicherlich nichts Schwerwiegendes", erklärt Karakulow. "Er ist bei besserer Gesundheit als viele andere Menschen in seinem Alter. Er lässt sich jedes Jahr routinemäßig untersuchen."
Quelle: ntv.de, chr