Russki Mir als Kriegswaffe? Kreml setzt verstärkt auf "Landsleute im Ausland"
23.05.2024, 11:41 Uhr Artikel anhören
Kaputter Beton, viel Propaganda: Ein Hauch von Sowjetunion durchweht das Russische Haus in Berlin, in dem sich "Landsleute" künftig über noch mehr Dienstleistungen ihres Staates freuen können.
(Foto: picture alliance/dpa)
So ganz klar ist es nicht, wer dazugehört: zur Gruppe der russischen "Landsleute im Ausland". Auf jeden Fall sind es viele. Die orthodoxe Kirche will eine "Massenrückführung", auch der Kreml umwirbt sie massiv. Ein US-Thinktank mutmaßt, was dahintersteckt.
Moskau wirbt offenbar verstärkt um die sogenannten russischen "Landsleute im Ausland". Wie das Institut for the Study of War (ISW) schreibt, zielt der Kreml vermutlich darauf ab, Bedingungen zu schaffen, "um weitere Aggressionen und hybride Operationen im Ausland als 'Schutz' der russischen Landsleute zu rechtfertigen". Der US-Thinktank bezieht sich dabei auf Äußerungen von Jewgeni Primakow, dem Generaldirektor der Agentur für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), im Ausland lebende Landsleute und internationale humanitäre Zusammenarbeit (Rossotrudnitschestwo).
In einem am Mittwoch veröffentlichten Gespräch mit der staatlichen Nachrichtenagentur TASS hatte Primakow erklärt, dass eine von seiner Behörde entwickelte "Elektronische Karte der Landsleute" fast fertig sei. Diese soll es im Ausland lebenden Bürgern ermöglichen, Zugang zu staatlichen Dienstleistungen zu erhalten, Russland zu besuchen, dort zu arbeiten und in Zukunft sogar die russische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Ein Pilotprojekt des Programms soll in einigen Nachbarländern starten, Ende 2024 könne mit der Ausgabe der ersten Karten begonnen werden.
Laut Primakow besitzen einige der Landsleute im Ausland zwar nicht die russische Staatsbürgerschaft und stehen der Moskauer Politik "skeptisch" gegenüber. Sie seien aber dennoch "auf die eine oder andere Weise" Landsleute, und dieses Programm werde ihnen und ihren Kindern helfen, die Verbindung zu Russland aufrechtzuerhalten. Primakow geht dabei von 20 Millionen und 40 Millionen infrage kommenden Menschen aus, wobei seine Definition von "Landsleuten im Ausland" unklar ist. Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin sind es alle Personen mit historischen, kulturellen oder sprachlichen Bindungen zu Russland.
Rossotrudnitschestwo arbeitet laut dem ISW seit mindestens 2021 an der "Elektronischen Karte der Landsleute", und Primakow berichtete demnach im Juni 2023 von Plänen, in den Russischen Kulturinstituten auf der ganzen Welt "Zertifizierungszentren" zu eröffnen. In diesen sollen Landsleute ihre Identität im Rahmen des Antragsverfahrens überprüfen können.
Orthodoxe Kirche will Massenrückführung vorantreiben
Wie das ISW schreibt, empfahl die kremltreue russisch-orthodoxe Kirche erst kürzlich während des Weltrats der Russen am 27. und 28. März, der Massenrückführung von "Landsleuten" nach Russland Priorität einzuräumen. Dem Thinktank zufolge könnte das Programm "Elektronische Karte der Landsleute" dafür nützlich sein.
Russlands Landsleute im Ausland sind laut dem ISW "ein Schlüsselaspekt des Kreml-Narrativs 'Russkij Mir' (Russische Welt), mit dem der Kreml künftige russische Aggressionen unter dem Deckmantel des 'Schutzes' russischer Landsleute rechtfertigen will". Die russische Regierung habe bereits die Anforderungen an die Sprache und die Abstammung von Landsleuten, die nach Russland ziehen wollen, gelockert. Sie versuche möglicherweise, analysiert das ISW, "ihre vage Definition des Begriffs 'Landsmann' weiter auszudehnen, um so viele Menschen wie möglich einzubeziehen".
Quelle: ntv.de, ghö