Politik

Kritik an Asyl-Politik Landrat in Mecklenburg-Vorpommern tritt aus SPD aus

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Stefan Kerth hat laut Angaben einer Sprecherin nicht vor, in eine andere Partei einzutreten.

Stefan Kerth hat laut Angaben einer Sprecherin nicht vor, in eine andere Partei einzutreten.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nach mehreren Jahrzehnten bei den Sozialdemokraten tritt Vorpommern-Rügens Landrat Stefan Kerth aus der Partei aus. In einer langen Erklärung äußert er sich zu seinen Beweggründen. In politisch rechts stehenden Lagern wird sein Entschluss wohlwollend aufgenommen.

Nach mehr als 20 Jahren hat der Landrat von Vorpommern-Rügen, Stefan Kerth, seinen Austritt aus der SPD erklärt. In einer Erklärung verwies er als Grund besonders auf die aktuelle Asyl- und Migrationspolitik. Er wolle aber weiter Landrat bleiben. Eine Sprecherin des Landratsamtes erklärte, ein Eintritt in eine andere Partei stehe "nicht zur Debatte". In sozialen Netzwerken wird der Austritt in AfD-nahen oder auch noch weiter rechts stehenden Lagern teilweise bejubelt.

Kerth, seit 2018 Landrat des nordöstlichsten Landkreises von Mecklenburg-Vorpommern, schrieb: "Seit Längerem nehme ich die Politik der SPD und des politischen Lagers links der Mitte als zu stark gesinnungsgeleitet und unzureichend an der Lebensrealität orientiert wahr." Er kritisierte die geplante Reform beim Staatsangehörigkeitsrecht. "Niedrige Anforderungen an die erreichte Integration und das Erwerbseinkommen lassen keinen Lerneffekt erkennen." Es sei zu befürchten, dass neue Fehlanreize gesetzt werden. "Ein echter Kurswechsel würde anders aussehen."

Das Kabinett hatte Ende August ein neues Staatsangehörigkeitsrecht beschlossen. Das Gesetz soll deutlich schnellere Einbürgerungen und Mehrstaatigkeit ermöglichen. "Die Wirtschaft braucht zwingend Fachkräfte, Arbeitskräfte", sagte SPD-Ministerin Nancy Faeser. "Auch für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland ist ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ein entscheidender Schlüssel." Ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die in Deutschland leben, sollen ihre Einbürgerung nach dem Entwurf bereits nach fünf Jahren anstatt wie bisher nach acht Jahren beantragen können. Wer besonders gut integriert sei, könne schon nach drei Jahren eingebürgert werden, sagte Faeser. "Das gilt für Menschen, die sehr gut Deutsch sprechen, im Job herausragende Leistungen erzielen oder sich ehrenamtlich engagieren."

Streitbare Aussagen in Erklärung

In einem Schreiben an den SPD-Landesverband kritisierte Kerth Toleranz gegenüber einer nach seinen Worten in migrantischen Milieus verbreiteten Intoleranz. "Selbst beim Herzensthema der Gleichberechtigung von Frauen schaut man bereitwillig weg." Daneben ist von einer "schwindenden Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaates" die Rede. "Ohne eindeutiges Gewaltmonopol des Staates entwickeln Parallelgesellschaften eigene Gewaltmonopole", warnte Kerth. Die Polizei gelte im linken politischen Spektrum unterschwellig als Gegner und nicht als Stütze des Rechtsstaates. "Auch in der SPD sind solche Positionen salonfähig."

Das Bürgergeld bezeichnete der Landrat, dessen Landkreis Vorpommern-Rügen vom Tourismus profitiert, aber zu den ärmeren Regionen Deutschlands mit einer hohen Arbeitslosenquote gehört, als gesinnungspolitisch gut gemeint. "Sozial gerecht ist es nicht." Viele Menschen zögen sich vom Arbeitsmarkt zurück. Steigende Sozialleistungen würden auf immer weniger Schultern verteilt. "In Zeiten, in denen jede helfende Hand gebraucht wird, befördern wir die Utopie eines anstrengungslosen Lebens."

In der Tat gibt es Firmen, die von Kündigungen von Mitarbeitern mit Verweis auf das Bürgergeld berichten, beispielsweise Reinigungskräfte. Modellrechnungen zeigen jedoch, dass sie damit oft deutlich weniger Geld zur Verfügung haben. Auch eine Aussage von Jens Spahn vor der Erhöhung, dass eine vierköpfige Familie mit Bürgergeld faktisch so viel zur Verfügung habe wie eine Durchschnittsverdiener-Familie, erwies sich als falsch. Allerdings gibt es Rechnungen, die zeigen, dass Alleinverdiener-Familien mit zwei kleinen Kindern, wo der Mindestlohn verdient wird, nur etwas mehr Geld zur Verfügung haben, als eine vergleichbare Bürgergeld-Familie. Kritiker sagen unter anderem deshalb, dass der Mindestlohn zu gering sei - und nicht das Bürgergeld zu hoch.

"Mir fällt der Austritt schwer"

Kerth hatte sich in der Vergangenheit wiederholt kritisch zur Migrationspolitik geäußert. Erst Ende September hatte er eine sechsseitige Erklärung veröffentlicht mit dem Titel "Flüchtlingskrise erfordert mehr Konsequenz und Ehrlichkeit!". Darin warf er der Bundesregierung vor, nicht alles zu unternehmen, um den Zulauf einzudämmen. "Die Stimmung ist in der Mitte der Gesellschaft fragil wie nie." Er sehe Unehrlichkeit und Tabus in der Debatte etwa um Versorgungsleistungen als mögliche Fluchtmotivation.

"Nach vielen Jahren Mitgliedschaft fällt mir der Austritt schwer", schrieb Kerth an den Landesverband gerichtet. Der Generalsekretär der MV-SPD, Julian Barlen, sagte: "Wir bedauern die Entscheidung von Stefan Kerth und werden uns weiterhin mit ganzer Kraft für eine gute Entwicklung in Vorpommern-Rügen und im ganzen Land einsetzen."

Quelle: ntv.de, rog/dpa

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