Politik

Mehrere Ministerien gestürmt Libanesischer Premier kündigt Neuwahlen an

Dichte Rauchschwaden begleiten die Proteste in Beirut.

Dichte Rauchschwaden begleiten die Proteste in Beirut.

(Foto: picture alliance/dpa)

Tausende Menschen protestieren nach der Explosionskatastrophe in Beirut gegen die libanesische Regierung. "Rache, Rache bis zum Sturz des Regimes", skandieren sie auf ihrem Marsch durch das beschädigte Stadtzentrum. Der Premierminister verspricht Neuwahlen.

Angesichts wütender Proteste hat der libanesische Ministerpräsident Hassan Diab vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Dies sei der einzige Weg, um die tiefe Krise des Landes zu überwinden, erklärte er am Abend in einer Fernsehansprache. Er werde seinem Kabinett daher am Montag Neuwahlen vorschlagen. Verantwortung für die wirtschaftlichen und politischen Probleme des Landes wies er allerdings zurück.

Zuvor hatten Demonstranten neben dem Außen- auch das Energieministerium und das Handelsministerium in der libanesischen Hauptstadt Beirut gestürmt. Von ehemaligen Armeeoffizieren angeführt drangen sie in das Außenministeriumsgebäude ein und erklärten es zum "Hauptquartier der Revolution", wie in Aufnahmen örtlicher Fernsehsender zu sehen war. Nach drei Stunden hat die libanesische Armee die Besetzung des Außenministeriums jedoch beendet. Soldaten räumten am Abend das Gebäude. Auch der Sitz des libanesischen Bankenverbandes wurde gestürmt. Wütende Demonstranten legten Feuer, bevor sie von der Armee zurückgedrängt und die Flammen gelöscht wurden.

Tausende Menschen waren durch die Stadt marschiert, um gegen die Regierung zu protestieren. Sie machen die korrupte Elite des Landes für die Explosionskatastrophe vom Dienstag verantwortlich. Dabei wurden bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in Beirut mehr als 200 Menschen verletzt, wie das libanesische Rote Kreuz mitteilte.

Später bestätigte die Polizei, dass bei den Protesten auch Schüsse gefallen sind. Die Umstände sind bislang unklar. Allerdings wurde bei den Ausschreitungen laut einem Polizeisprecher ein Polizeibeamter getötet. Er habe Menschen helfen wollen, die in einem Hotel im Zentrum Beiruts festgesessen hätten, meldete die staatliche Agentur NNA unter Berufung auf die Sicherheitskräfte. Dabei hätten ihn "randalierende Mörder" angegriffen.

"Rache bis zum Sturz des Regimes"

Auf Fernsehaufnahmen waren mehrere blutende Menschen zu sehen, nachdem die Polizei Gummigeschosse und Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt hatte. Diese hatten versucht, auf den Parlamentsplatz vorzudringen.

Die Beiruter gingen auf die zerstörten und mit Trümmern übersäten Straßen, um ihrer Wut auf die politische Elite Luft zu machen. "Rache, Rache bis zum Sturz des Regimes", skandierten sie. Viele Demonstranten hielten Flaggen oder Fotos von Unglücksopfern in die Höhe.

Spenden für Beirut

Bereits vor der Explosion litt die Hälfte der Bevölkerung in Beirut Hunger und lebte unterhalb der Armutsgrenze. Die Stiftung RTL will helfen: Unsere Partner CARE Deutschland e.V. und I.S.A.R. Germany e.V. kümmern sich um die Versorgung von Verletzten und um Notunterkünfte für die unzähligen Obdachlosen, aber auch um langfristige Hilfe für Kinder und Familien, die vor dem Nichts stehen. Sie können uns ganz einfach mit 10 Euro unterstützen.

Schicken Sie eine SMS mit dem Wort BEIRUT an die 44 8 44.

Oder spenden Sie per Überweisung:

Stichwort: Beirut
Empfänger: Stiftung RTL
Konto: DE55 370 605 905 605 605 605
Sparda-Bank West

Vereinzelt schwenkten Protestierende auch Schlingen, auf dem Märtyrer-Platz im Zentrum von Beirut waren bereits am Freitag hölzerne Guillotinen errichtet worden. Protestaufrufe in Onlinenetzwerken wurden mit dem Hashtag #HangThem (#HängtSie) versehen. Sicherheitskräfte versuchten die Demonstranten auf dem Weg zum Parlamentsgebäude zurückzudrängen, die Polizei setzte Tränengas gegen Steinewerfer ein.

"Werden als Geiseln gehalten"

Der Libanon steckt schon seit Jahren in einer schweren Wirtschafts- und Währungskrise, die durch die Corona-Pandemie noch verschärft wurde. "Wir können es nicht mehr ertragen. Wir werden als Geiseln gehalten, wir können das Land nicht verlassen, wir können unser Geld nicht von den Banken abheben. Die Menschen hungern, es gibt mehr als zwei Millionen Arbeitslose", beklagte die Demonstrantin Médéa Azoury. "Und jetzt ist Beirut durch Fahrlässigkeit und Korruption vollständig zerstört worden.

Am Dienstag hatten zwei gewaltige Explosionen den Hafen von Beirut erschüttert. Nach Regierungsangaben waren 2750 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, die jahrelang ungesichert in einer Halle im Hafen lagerten. Die Ursache der Explosionen ist noch unklar. 21 mutmaßliche Verantwortliche wurden festgenommen.

Die Zahl der Todesopfer der Explosionen stieg am Samstag nach Angaben des Gesundheitsministeriums auf 158, die der Verletzten auf mehr als 6000. 21 Menschen werden demnach noch vermisst.

Quelle: ntv.de, ysc/chr/AFP/dpa/rts

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