Kontrollzentren vor Grenze? London plant Ausweg für Brexit-Dilemma
01.10.2019, 02:22 Uhr
Premier Boris Johnson möchte einen Backstop mit allen Mitteln vermeiden.
(Foto: imago images/ZUMA Press)
Einer der größten Knackpunkte im Streit um den Brexit ist der sogenannte Backstop - mit ihm sollen Grenzkontrollen an der irisch-nordirischen Grenze vermieden werden. Doch London lehnt den Backstop ab - und will nun eine Alternative vorschlagen.
London will Berichten zufolge noch diese Woche Pläne für eine Alternative zum umstrittenen Backstop im Brexit-Vertrag vorlegen. Premierminister Boris Johnson besteht darauf, dass die Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland gestrichen wird. Andernfalls droht er mit einem ungeregelten EU-Austritt am 31. Oktober.
Laut einem Bericht des irischen Rundfunksenders RTÉ könnte der Vorschlag Johnsons Warenkontrollen abseits der irisch-nordirischen Grenze vorsehen. Zollpflichtige Waren würden demnach in speziellen Kontrollzentren einige Kilometer vor der Grenze angemeldet werden und per GPS verfolgt werden, bis sie auf der anderen Seite eingetroffen sind.
Die Pläne wurden laut RTÉ bereits in sogenannten Non-Papers an die EU übermittelt. Das sind unverbindliche Ideenpapiere. Der britische "Telegraph"-Reporter Peter Foster will jedoch erfahren haben, dass es sich dabei auch teilweise um die offiziellen Vorschläge Londons handelt, die Johnson nach Ende des Tory-Parteitags am Mittwoch vorstellen will.
Abfuhr aus Irland
Irlands Außenminister Simon Coveney erteilte den Vorschlägen per Twitter umgehend eine Absage. "Es wird Zeit, dass die EU einen ernsthaften Vorschlag von der britischen Regierung erhält, wenn noch ein Brexit-Deal im Oktober erreichbar sein soll", schrieb er.
Derzeit finden keine Kontrollen zwischen den beiden Teilen Irlands statt. Das soll nach dem Willen Dublins und Brüssels auch nach dem Brexit so bleiben, weil sonst ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts befürchtet wird. In dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg standen sich überwiegend katholische Befürworter einer Vereinigung Irlands und überwiegend protestantische Großbritannien-Loyalisten gegenüber. Oft waren Grenzeinrichtungen das Ziel von Angriffen paramilitärischer Einheiten.
Der Backstop sieht vor, dass Großbritannien solange die gemeinsamen Außenzölle der EU und bestimmte Regeln des Binnenmarkts anwendet, bis eine andere Lösung gefunden ist. Warenkontrollen wären damit weiterhin überflüssig. Das lehnen viele Brexit-Befürworter aber vehement ab, weil London dann keine Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wie den USA abschließen könnte. Das gilt für viele aber als einer der Hauptgründe für den EU-Ausstieg.
Sollte der Vorschlag Johnsons tatsächlich den Berichten entsprechen, dürfte das als Zeichen gewertet werden, dass der Premier nicht an einem Abkommen mit der EU interessiert ist. Ohnehin deutet einiges darauf hin, dass er sich im Brexit-Streit vor allem aus taktischen Gründen im Hinblick auf eine baldige Neuwahl als Hardliner präsentiert.
Quelle: ntv.de, kst/dpa