Politik

Wahl in Venezuela Maduro tanzt vor den Hungernden

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Voll im Wahlkampfmodus: Mit diesem Foto wirbt die venezolanische Regierung für Präsident Marduro.

(Foto: dpa)

Der venezolanische Präsident Maduro inszeniert sich bei der Wahl als großer Erneuerer, obwohl er mitverantwortlich ist für die Hungerkrise im Land. Das Dilemma der Menschen zeigt sich in einem kleinen Café.

Rosas Hoffnung ist ein Motorrad, Marke Empire Keeway, orange-schwarz. Ein Blinker fehlt. "Mein Sohn kann sich davon hoffentlich mal etwas kaufen", nickt sie in Richtung der Straßenmaschine, die hier in ihrem Café steht. Das Lokal in Caracas' Zentrum ist so klein, dass kaum ein Tisch hineinpasst. 400 US-Dollar hat die Mutter für das einheimische Fabrikat hingeblättert. Eine unfassbare Summe in Venezuela, wo die Hyperinflation alles auffrisst, was keinen Sachwert hat. Während Rosa spricht, wandert ihr Blick häufig zur großen Avenida Bolívar hinaus, dort, wo heute keine Autos fahren, weil Präsident Nicolás Maduro seinen Wahlkampfabschluss feiert. Rosa trägt eines seiner weißen Wahlkampf-Shirts.

Maduros Regierung der Partido Socialista Unido de Venezuela (PSUV) hat Rosa vor zwei Jahren eine Theke, eine Kaffeemühle und einen Ofen in das Café gestellt. Wirtschaften müssen sie, ihre Helferin und ihr Bäcker selbst. Heute gibt es Kaffee und frittierte Teigkringel; zäh, schwer, gezuckert. "Wenn wir Brot haben, stehen die Menschen aus den Sozialwohnungen Schlange", strahlt die Helferin. Aber es gibt kein Brot, denn es gibt keine Hefe. Ein Würfel davon würde einen monatlichen Mindestlohn kosten: eine Million Bolívar. Auf dem Schwarzmarkt wird dafür derzeit rund ein Dollar bezahlt.

Die Sozialwohnungen, langgezogene Wohnblocks auf der anderen Seite der Straße, sind geschmückt mit PSUV-Fahnen, Treueschwüren für Ex-Präsident Hugo Chávez und seinen Nachfolger Maduro. Der hat sich seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 geschickt an der Macht gehalten; erst mit einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl, dann einer Entmachtung des von der Opposition kontrollierten Parlaments. Venezuela geht an diesem Sonntag wieder an die Urnen, und wenn es keine Überraschung gibt, dann wird der alte Präsident auch der neue sein. Eine feste Wählerbasis, systematische Einschüchterung politischer Gegner und der Boykottaufruf der Opposition machen es möglich.

Maduros Sozialismus ist tödlich

Die Wahl findet in einer Krise statt, die ihren dramatischsten Ausdruck im Hunger findet. Maduros Sozialismus ist tödlich. Im vergangenen Jahr starben mindestens 260 Kinder an Unterernährung, gibt die katholische Caritas in Venezuela an. Demnach wächst jedes dritte Kind im Land zu langsam und 280.000 befinden sich in Lebensgefahr, sollte sich die Ernährungssituation nicht verbessern. Rund 15 Prozent der 30 Millionen Einwohner Venezuelas leiden laut Menschenrechtsorganisation Provea an Unterernährung. Es fehlt zudem an Medizin, um sie zu behandeln. Wer Glück hat, findet Medikamente auf dem Schwarzmarkt für horrende Preise. Wer kann, lässt sich von Angehörigen oder Freunden auf Umwegen Geld aus dem Ausland überweisen.

Über Nachbarschaftszentren der Regierung wird Familien in bedürftigen Gegenden alle zwei bis vier Wochen ein Warenkorb zugeteilt. Zudem erhalten die Menschen monatlich 1,5 Millionen Bolívar über die sogenannten Heimatkarten ("Carnet de la Patria"), für die sie sich registrieren müssen und über die auch weitere Boni ausgezahlt werden. Sechs Millionen Venezolaner besitzen eine solche Karte, gibt die Regierung an. In bedürftigen Vierteln wird sich erzählt, dass solche Sozialleistungen und der Warenkorb ausbleiben, falls Maduro verliert. Auch der Hunger treibt die Venezolaner an die Urnen. Subventionierte Lebensmittel im Supermarkt sind rar und werden erst nach stundenlanger Wartezeit rationiert ausgegeben.

Menschen werden mit Bussen herbeigebracht

Auf und neben der Avenida tönen von Bühnen Musik und politische Kurzreden, auf einer Leinwand im Hintergrund läuft das spanische Programm des russischen Staatssenders RT. Es ist alles Vorgeplänkel für den großen Auftritt Maduros. Die Regierung hat mit Bussen die Menschen aus einkommensschwachen Vierteln zur Avenida gebracht, wo sie nun ihrem Gönner am Rednerpult zujubeln. Manche Anhänger haben ein T-Shirt bekommen, ein belegtes Weißbrot, eine Cola. Auch Milizen in zivil stehen vor der Bühne.

Maduro verspricht ihnen einen "nationalen Dialog", Neuanfang und Haushaltsplan, der alles verbessern werde, sowie Standhaftigkeit im "Wirtschaftskrieg". "Ich rufe das Volk zum Kampf auf", überschlägt sich seine Stimme fast. Dann wandelt sich die Rede zum Popkonzert. "Das ist sicher - alle mit Maduro", singt eine Reggaeton-Band im Konfettiregen, während der Präsident die venezolanische Fahne küsst, mit seiner Frau tanzt und sich vom argentinischen Ex-Fußballer Diego Maradona feiern lässt.

Im Café an der Avenida ist Rosa darum besorgt, dass sie bald aufgeben muss. Wegen der Hyperinflation ist Bargeld schwer zu bekommen und die meisten wollen mit Bankkarten zahlen. Aber Rosa hat kein Lesegerät. "Drei von vier möglichen Kunden gehen wieder", klagt sie. Ein solches Gerät würde sie 300 US-Dollar kosten. Doch eben, kurz vor der Rede des Präsidenten, war ein Ministeriumsmitarbeiter da. Er sagte, er werde sehen, was er für Rosa tun könne. Sie hat dann eine rote Fahne der PSUV an ihr Motorrad gehängt.

Quelle: ntv.de

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