Politik

Ukrainetalk bei "Hart aber fair" Melnyk: "Wir fordern keine Bodentruppen"

imago0202661991h.jpg

Andrij Melnyk war am Ende von "Hart aber fair" aus Kiew zugeschaltet.

(Foto: IMAGO/Horst Galuschka)

Knapp ein Jahr nach der russischen Invasion in die Ukraine ist völlig offen, wann und wie der Krieg endet. Bei "Hart aber fair" liefern sich die Gäste eine sehr hitzige Diskussion über Waffenlieferungen und die Möglichkeiten der Diplomatie. Mit dabei: der stellvertretende Außenminister der Ukraine, Andrij Melnyk.

Am 24. Februar 2022 hat der russische Angriff auf die Ukraine begonnen. Russlands Präsident Wladimir Putin ging damals davon aus, seine Armee könne das Land innerhalb kürzester Zeit vollständig besetzen. Er sollte sich irren. Der Krieg dauert nun schon fast ein Jahr, ein Ende ist nicht abzusehen. Vor wenigen Tagen riefen die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer in einem Youtube-Video zu einer Friedensdemonstration am 25. Februar auf. Gleichzeitig forderten sie in einer Onlinepetition sofortige Friedensverhandlungen.

Bei "Hart aber fair" in der ARD liefern sich die Gäste am Montagabend eine heftige Diskussion, in der es auch darum geht. Einer, der die Haltung von Schwarzer und Wagenknecht kritisch sieht, ist der ehemalige NATO- General Hans-Lothar Domröse, der sich für Waffenlieferungen an die Ukraine ausspricht. "Es geht im Kern um das Überleben des Landes, und ich bin wie viele in Deutschland dafür, dass wir alles tun müssen, um das Überleben der Ukraine zu sichern", sagt er. Waffenlieferungen aus dem Westen seien notwendig, weil Russland jede Woche Hunderte Kampfpanzer an die Front bringe, Hunderttausende Reservisten einsetze und eine zweite Teilmobilmachung vorbereite. "Da kommt eine ungeheure Front auf uns zu."

Schon jetzt hätten die europäischen Staaten viel erreicht, betont die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley: "Wir haben alle zusammen klargemacht: So ein völkerrechtswidriger, brutaler Überfall läuft nicht einfach so durch, wie sich Putin das vorgestellt hat." Der russische Präsident habe nicht mit der Gegenwehr der ukrainischen Soldaten und der Geschlossenheit der westlichen Welt gerechnet. Ohne die Waffenlieferungen wäre die Ukraine nicht in der Lage gewesen, sich so lange zu verteidigen.

Barley: Hinter den Kulissen wird geredet

"Was aber nicht erreicht wurde, ist, dass der Krieg endet. Das müsste eigentlich das oberste Ziel sein", entgegnet Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. Sie hat die Petition von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer unterzeichnet. Schon die Ankündigung von Kampfpanzerlieferungen habe ihrer Meinung nach zu einer weiteren Eskalation des Krieges geführt. Deutschland habe sich nicht für Friedensgespräche starkgemacht oder zumindest einen Waffenstillstand gefordert.

"Das Problem bei Waffenstillstandsverhandlungen ist eben, dass man den einen sagt: Hört auf, anzugreifen, und zu den anderen sagt man: Hört auf, euch zu verteidigen", begründet Barley die deutsche Politik. Diplomatie sei wichtig. Hinter den Kulissen werde immer noch geredet. Aber Putin habe die Ukraine überfallen, mit dem Ziel, sich das Land einzuverleiben. "Das Einzige, was die Ukraine dagegen tun kann, ist, sich zu verteidigen. Und da haben wir juristisch das Recht und moralisch die Pflicht, dieses Land dabei zu unterstützen."

"Politische Strategie fehlt"

Die Frage sei aber, wie diese Unterstützung aussehen könne, so Mohamed Ali. "Auch führende Militärs sagen, die Ukraine kann Russland nicht besiegen. Und da muss man sich doch fragen, wie man diesen Krieg beenden kann, damit nicht noch mehr Menschen sterben." So habe Brasiliens Präsident Lula ein Format für internationale Friedensgespräche gefordert, in die auch Länder wie China oder Indien einbezogen werden sollten, die mit Russland zusammenarbeiteten. "Das sind sehr sinnvolle Dinge, die man jetzt unterstützen sollte."

Dieser Meinung ist auch Domröse, der die Linken-Politikerin ansonsten nicht unterstützt. "Aus meiner Sicht fehlt eine politische Strategie", sagt er. Im Moment gehe es jedoch um die militärische Verteidigung der Ukraine, und da könnten die von Deutschland versprochenen Kampfpanzer nicht viel, aber doch etwas bewirken. Wichtiger seien allerdings Kampfflugzeuge. Die Front im Osten der Ukraine sei 1.500 Kilometer lang, erklärt der Militärstratege. Kampfjets seien in der Lage, sehr schnell Gebiete zu verteidigen, die von Russland angegriffen werden.

Ob Deutschland sich früher oder später dazu entschließen könne, Kampfflugzeuge zu liefern, fragt Moderator Klamroth Barley. Sie weicht aus: Darüber werde sie in einem Talkshow-Format nicht sprechen. Hört man aber auf die leisen Zwischentöne, kann man erraten, dass Bundeskanzler Scholz bereit sein könnte, den Lieferungen zuzustimmen.

Linken-Politikerin Mohamed Ali fragt, wie es dann weitergehe. An Domröse gewendet sagt sie: "Wenn Sie wollen, dass der Krieg schnell zu Ende gehen soll, müsste die NATO doch jetzt reingehen. Das tut sie aber nicht, weil wir wissen, dass das schwerwiegende Folgen hat. Aber wir laufen Gefahr, dass das geschieht."

"Das wäre für Russland Landesverrat"

"Ob wir wollen oder nicht: Der Krieg kann nur auf dem Schlachtfeld beendet werden", sagt der stellvertretende Außenminister der Ukraine, Andrij Melnyk. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland wird kurz aus Kiew in die Sendung geschaltet. "Was Frau Mohamed Ali sagt, klingt harmlos. Aber haben Sie die neuen russischen Schulbücher gesehen, wo die besetzten Teile der Ukraine schon ein Teil Russlands sind?" fragt er. Keine russische Delegation werde über die Abtretung dieser Gebiete verhandeln. "Das wäre Landesverrat. Das führt Ihre Argumente ad absurdum", spricht er die Linken-Politikerin direkt an.

Russland wolle die Ukraine weiterhin vernichten. Deshalb gehe es jetzt um schnelle Waffenlieferungen, sagt Melnyk. Aber: "Wir fordern keine Bodentruppen, wie Frau Ali das suggeriert hat. Wir fordern nur das, was Deutschland nicht zur Kriegspartei macht. Darum möchte ich ganz klar sagen: Es geht nur um Waffenlieferungen."

Deutschland könne Teil einer Koalition sein, die auch Kampfjets bereitstelle, hofft Melnyk. "Deutschland gehört zu den wichtigsten Verbündeten der Ukraine. Und das ist gut so. Die Deutschen können darauf stolz sein, was sie geleistet haben", betont er. Jetzt dürften keine künstlichen roten Linien gezogen werden, der Zeitfaktor sei entscheidend. "Es kommt jetzt darauf an, dass die deutsche Regierung auf das eingeht, was für uns wichtig ist."

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen