Luftschutzbunker in Mariupol Menschen überleben offenbar unter Theater-Trümmern
17.03.2022, 10:42 UhrAls am Mittwoch ein Theater in Mariupol weitgehend zerstört wird, sollen sich dort mehr als 1000 Menschen befinden. "Es gibt Überlebende", heißt es nun von den örtlichen Behörden. Zudem zeigen Satellitenbilder, dass das Gebäude anscheinend als zivile Schutzeinrichtung markiert war: Darauf ist der Schriftzug "Kinder" zu lesen.
In der umkämpften Hafenstadt Mariupol versuchen Rettungskräfte nach Angaben der Behörden zu Überlebenden unter den Trümmern eines Theaters vorzudringen. Ein Luftschutzkeller unter dem Theater habe dem russischen Angriff standgehalten, sagt Petro Andruschtschenko, ein Berater des Bürgermeisters, in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Jetzt werden die Trümmer beseitigt. Es gibt Überlebende." Wie viele Opfer es gegeben habe, sei noch nicht bekannt.
Auch der Abgeordnete Serhij Taruta schrieb am Vormittag auf seiner Facebook-Seite, dass der Luftschutzbunker den Angriff überstanden habe. "Nach einer schrecklichen Nacht der Ungewissheit am Morgen des 22. Kriegstages endlich gute Nachrichten aus Mariupol! Der Luftschutzbunker hat standgehalten", schrieb Serhij Taruta. Mit dem Entfernen der Trümmer sei begonnen worden. "Die Menschen kommen lebend heraus!" Darüber, wie viele Menschen überlebt haben und ob es möglicherweise Tote und Verletzte gibt, sagte er nichts. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben bisher nicht.

Ein Foto des Schauspielhauses, das am Mittwoch vom zivil-militärischen Regionalen Verwaltungsrat von Donezk veröffentlicht wurde.
(Foto: dpa)
Zuvor hatte der Mariupoler Stadtrat bei Telegram mitgeteilt, in dem Theater hätten "mehr als tausend Menschen Schutz gefunden", bevor die russische Armee es angegriffen habe. "Wir werden dies nie verzeihen", hieß es in der Mitteilung des Stadtrates weiter. Staatschef Wolodymyr Selenskyj vermutete "Hunderte" Opfer. Die Menschen hätten dort Schutz vor Beschuss gesucht, sagte er in einer Videobotschaft. Nun sei das Gebäude zerstört. Man habe noch keine Informationen zu Todesopfern. Die Stadtverwaltung hatte erklärt, der Eingang des Schutzraums in dem Theater sei "durch Trümmer blockiert". Ein von den Behörden veröffentlichtes Foto zeigt offenbar, dass der mittlere Teil des Theaters völlig zerstört war und dichter Rauch darüber aufstieg.
Vor Theater in Mariupol war "Kinder" zu lesen
Satellitenaufnahmen zufolge war das Theater mit dem Schriftzug "Kinder" (Дети) markiert gewesen, bevor es am Mittwoch Ziel eines wohl verheerenden Bombenangriffs wurde. Auf den Bildern des privaten US-Unternehmens Maxar vom Montag ist zu sehen, dass an Vorder- und Rückseite des Gebäudes in großen Buchstaben das Wort "Kinder" auf Russisch auf den Boden geschrieben worden war. Der Schriftzug ist auch aus der Luft zu sehen. Anscheinend war das Theater damit als zivile Schutzeinrichtung gekennzeichnet. Auch Fotos, die laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vom Tag vor dem Angriff stammen, zeigen die Aufschrift.
Nach ukrainischen Angaben wurde das Gebäude am Mittwoch weitgehend zerstört. Mariupols Bürgermeister Wadym Boitschenko sagte in einem Telegram-Video: "Das einzige Wort, das beschreibt, was heute geschehen ist, ist Genozid". Das Verbrechen sei unfassbar, "wir wollen unsere Augen schließen und den Alptraum vergessen, der heute geschehen ist".
Die Regierungen in Kiew und Moskau weisen sich gegenseitig die Schuld zu: Die ukrainische Seite sprach von einem absichtlichen russischen Bombenabwurf. Russland machte das ukrainische nationalistische Regiment Asow für die Attacke verantwortlich - wie schon nach den Angriffen auf eine Geburtsklinik in Mariupol vergangene Woche. Das russische Verteidigungsministerium dementierte den Angriff auf das Theater. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bezeichnet die Vorwürfe derweil als Lüge. Russlands Streitkräfte bombardierten keine Städte, sagt sie. Mariupol ist besonders hart umkämpft. Vor dem Angriff auf das Theater hatten die Behörden bereits von mehr als 2000 Todesopfern in der Stadt gesprochen. Die Angaben beider Seiten ließen sich bisher nicht unabhängig überprüfen.
Am Mittwoch hatte die russische Armee nach ukrainischen Angaben gezielt Zivilisten in der Ukraine ins Visier genommen. Nahe Mariupol wurden bei einem Raketenangriff auf einen Flüchtlingskonvoi nach ukrainischen Angaben mehrere Menschen getötet. In Tschernihiw eröffneten russische Soldaten der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft zufolge das Feuer auf Menschen, die vor einem Lebensmittelladen anstanden, um Brot zu kaufen. In der Hauptstadt Kiew starben am Mittwochmorgen laut ukrainischem Rettungsdienst zwei Menschen beim Beschuss eines Wohnhauses.
Quelle: ntv.de, hul/AFP/dpa/rts