Politik

Führungsrolle mit Frankreich Merkel beschwört den "Geist" der EU

"Falls Deutschland und Frankreich nicht einig sind, kommt Europa nicht voran": Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Macron bei der gemeinsamen Pressekonferenz.

"Falls Deutschland und Frankreich nicht einig sind, kommt Europa nicht voran": Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Macron bei der gemeinsamen Pressekonferenz.

(Foto: imago/Belga)

Wie geht es weiter mit Europa? Das jüngste Treffen der EU-Spitzen fällt in schwierige Zeiten: Der Brexit und der Umgang mit Flüchtlingen droht die Europäische Union zu spalten. Kanzlerin Merkel hält dagegen und lobt den "Geist neuer Zuversicht".

Mit einer gemeinsamen Pressekonferenz haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron demonstrativ die neue Nähe beider Länder in der Europapolitik betont. Merkel sprach nach Abschluss des zweitägigen EU-Gipfels in Brüssel von einem hohen Maß an Übereinstimmung beider Regierungen.

"In der Tat zeigt diese Pressekonferenz, dass wir entschlossen sind, gemeinsam zur Lösung von Problemen beizutragen", sagte Merkel. Daraus ergebe sich aber kein Anspruch beider Länder, alleine Entscheidungen in der EU zu treffen. Es gebe keine Ausschließlichkeit.

"Falls Deutschland und Frankreich nicht einig sind, kommt Europa nicht voran", bestätigte Macron. Dann könnte der ein oder andere zwar vielleicht kurzfristige Vorteile erzielen, langfristig schadeten sich aber beide. Die deutsch-französische Abstimmung reiche aber nicht aus in einer EU mit 27 Mitgliedern, betonte er.

"Geist neuer Zuversicht"

Macron hatte sich am Morgen bei einem separaten Termin mit den Kollegen der vier osteuropäischen Visegrad-Staaten Polen, Slowakei, Ungarn und Tschechien getroffen. "Wichtig ist es, die Beschränkungen des anderen zu verstehen", sagte der französische Präsident. Es gebe keine dauerhaften Lösungen in Europa, wenn diese für Deutschland und Frankreich nicht gefunden würden.

Der EU-Gipfel habe den Zusammenhalt der nach dem Brexit verbleibenden EU-Staaten insgesamt deutlich verstärkt, erklärte Merkel. Die Staats- und Regierungschefs hätten sich damit beschäftigt, "das Fundament und die Zukunft der Europäischen Union weiter zu festigen." Das Treffen habe einen "Geist neuer Zuversicht ausgestrahlt".

Angesichts des bevorstehenden Austritts Großbritanniens sagte Merkel, allen sei bewusst geworden, "wie sehr wir uns um unsere eigene Zukunft kümmern müssen". Diese gemeinsame Zukunft der 27 Staaten habe Vorrang vor den Austrittsverhandlungen mit London.

Paris und Berlin rücken zusammen

Merkel und Macron kündigten bei ihrem gemeinsamen Auftritt an, beim deutsch-französischen Ministerrat Mitte Juli Vorschläge vorzulegen, wie beide Länder mit einer engeren Zusammenarbeit vorangehen könnten. Allerdings werde man nur Projekte präsentieren, die sich dann auch umsetzen ließen, sagte der Präsident.

Wichtigstes Ergebnis des jüngsten Brüsseler Gipfels ist das gemeinsame Eintreten gegen neue Handelsbarrieren. Die Europäische Union sendet dabei in Sachen Freihandel zunehmend harschere Töne Richtung USA und China. So beauftragten die Staats- und Regierungschefs der Union bei ihrem Gipfel die EU-Kommission, stärker auf eine Gleichbehandlung bei Fragen der öffentlichen Auftragsvergabe und Investitionen zu achten.

Marktzugang in den USA

Bundeskanzlerin Merkel nannte in diesem Zusammenhang die USA. "Ich würde sagen, dass die Reziprozität die richtige Antwort ist, zum Beispiel wenn es Ausschreibungen gibt", sagte sie. "Wenn wir Zugang zum Beispiel zu öffentlichen Ausschreibungen haben in den USA, dann können wir auch zum Zugang zu den öffentlichen Ausschreibungen in den europäischen Ländern 'Ja' sagen." Wenn es diesen vollen Zugang nicht gebe, dass müsse man überlegen, "ob wir eine Antwort brauchen aus europäischer Sicht".

Macron äußerte sich ähnlich. Die EU müsse für offene Märkte sein, dürfe aber nicht naiv sein, sagte der französische Präsident. Hintergrund der Debatte sind die derzeitigen Bedingungen in den USA: Bundesstaaten vergeben dort bisher öffentliche Aufträge bevorzugt an US-Firmen. US-Präsident Donald Trump hat zudem eine "America First"-Strategie ausgerufen, die diese Tendenz weiter verstärken dürfte.

Macron unterstützt die Kanzlerin

Beim umstrittenen Thema der Verteilung von Flüchtlingen gab es beim EU-Gipfel keine Fortschritte. Eine faire Verteilung unter den EU-Ländern bleibe wichtiger Teil der europäischen Solidarität, sagte Merkel vor der Presse. Vor allem müsse man sich in die Lage von Italien und Griechenland versetzen, wo viele der Flüchtlinge zuerst ankommen. "Ich werde nicht aufhören, darüber zu sprechen", betonte Merkel.

Vor allem osteuropäische Länder widersetzen sich der Aufnahme von Flüchtlingen, obwohl die Verteilung in der EU längst beschlossene Sache ist. Macron stellte sich erneut mit klaren Worten hinter die Flüchtlingspolitik Merkels. "Wir müssen Flüchtlinge aufnehmen, weil das unsere Tradition ist und weil uns das zu Ehren gereicht", sagte er.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/rts

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