Multimillionär wird Premier Mit Rishi Sunak übernimmt der Anti-Johnson
24.10.2022, 19:16 Uhr
Viel Zeit zum Feiern wird Sunak nicht bleiben.
(Foto: REUTERS)
Der künftige Premierminister Großbritanniens ist Polit-Quereinsteiger, Multimillionär, Sohn von Einwanderern. Rishi Sunak legte einen rasanten Aufstieg hin, den zuletzt einige Makel trübten. Nun soll der Gegenentwurf zu Skandal-Premier Johnson sein Land aus der Krise führen.
Großbritanniens neuer Premierminister steht fest: Ex-Finanzminister Rishi Sunak geht als Gewinner aus den letzten Monaten hervor, die zweifellos zu den turbulentesten der jüngeren britischen Politikgeschichte gehören. Erstmals wird ein Angehöriger einer ethnischen Minderheit das Amt übernehmen. Und das, obwohl das Image des politischen Senkrechtstarters zuletzt gelitten hatte.
Auf Instagram weiß sich der frisch gewählte Tory-Chef zu inszenieren. Strahlendes Lächeln, weißes Hemd, Ärmel hochgekrempelt - ein Politiker, der anpackt. Auf seinen Bildern verkörpert der 42-Jährige den Typus des modernen Konservativen. Ein bürgernaher Familienmensch, der als gläubiger Hindu Tradition im Tempel statt in der Kirche pflegt. Ein nächster Post zeigt ihn dann - very british - in Barbour-Wachsjacke hinter dem Tresen eines Pubs.
Sein Slogan im Sommer-Wahlkampf: "We're ready for Sunak", wir sind bereit für Sunak. Bereit für einen wie ihn, der sich als Aufsteiger präsentiert, und dessen Eltern aus den ehemaligen britischen Kolonien ins Land emigriert sind. Der in Southampton geborene Sohn eines Arztes und einer Apothekerin indischer Herkunft studierte an den renommierten Universitäten Oxford und Stanford. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Investmentbanker und verdiente ein Vermögen. Dieses zusätzlich ausbauen konnte er dank seiner Hochzeit mit Akshata Murthy. Ihr Vater ist Gründer des indischen Technologiekonzerns Infosys. Britische Medien schätzen das gemeinsame Vermögen des Paares auf umgerechnet mehr als 860 Millionen Euro. Damit gehören die Eltern zweier Töchter zu den reichsten Menschen des Landes.
Später Einstieg, schneller Aufstieg
Nach Jahren als Analyst bei Goldman Sachs schlug Sunak erst 2015 den Weg in die Politik ein. Auf Anhieb gewann er in seinem Wahlkreis in North Yorkshire für die Konservative Partei einen Sitz im Unterhaus. Es sollte lediglich fünf Jahre dauern, bis der Brexit-Befürworter auf den zweithöchsten Posten in Großbritannien vorrückte: Im Februar 2020 ernannte Boris Johnson ihn zum Finanzminister.
Als Schatzkanzler steuerte Sunak das Land durch die Corona-Pandemie. Die Einführung eines milliardenschweren Programms, das dem deutschen Kurzarbeitergeld nachempfunden ist, bewahrte Millionen Briten vor dem Jobverlust. Das machte ihn beim Volk beliebt. "Sunak kommt so gut bei den Briten an, weil er einerseits als kompetent gilt und sie ihm gleichzeitig glauben, dass er wirklich helfen will", sagte der frühere Tory-Vizevorsitzende Michael Ashcroft der Zeitung "Welt" im Jahr 2020.
Erst in der aktuellen Wirtschaftskrise begannen Sunaks Umfragewerte zu bröckeln. In Zeiten steigender Inflation und explodierender Energiepreise setzte er in diesem Jahr mehrere Steuererhöhungen durch, wodurch die britische Steuerlast den höchsten Stand seit den 1940er-Jahren erreichte. Zudem wird ihm vorgeworfen, zu spät auf die Wirtschaftskrise reagiert zu haben.
Involviert in "Party-Gate"-Skandal
Zusätzlich angekratzt wurde sein Saubermann-Image, als im April dieses Jahres bekannt wurde, dass seine Ehefrau nicht in Großbritannien gemeldet ist und entsprechend keine Steuern zahlt. Das ist zwar legal, doch insbesondere die oppositionelle Labour-Partei warf Sunak hinsichtlich seiner harten Steuerpolitik "beispiellose Heuchelei" vor. Seinem Ruf als reicher Schnösel zuträglich war ein Wahlkampfauftritt im Sommer, bei dem er sündhaft teure Schuhe der Luxusmarke Prada auf einer Baustelle trug. Auch ist Sunak Teil der "Partygate"-Affäre: Mit der Teilnahme an Johnsons Geburtstagsfete im Juni 2020 verstieß auch er gegen die Corona-Regeln und musste ein Bußgeld zahlen.
Dennoch bildet Sunak mit seinem geordneten, glatten Auftreten einen Gegenpol zu Johnson, dessen Amtszeit von Affären und Skandalen geprägt war. Inhaltlich waren beide vor allem in Steuerfragen unterschiedlicher Meinung. Das angespannte Verhältnis beider zerbrach endgültig am 1. Juli 2022, als Sunak seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt gab. In seinem Rücktrittsschreiben hatte er Johnson scharf kritisiert. Viele Mitglieder werfen ihm seitdem vor, so den Sturz des an der Basis beliebten Johnson ausgelöst zu haben.
Blitz-Comeback nach Truss-Aus
Auch aus diesem Grund verlor Sunak Anfang September gegen seine Parteikollegin Liz Truss, als er sich ebenfalls für Johnsons Nachfolge beworben hatte. Truss scheiterte jedoch krachend mit ihrer Steuerreform, die vor allem Spitzenverdiener und Unternehmen entlasten sollte. Und so war nach nur sechs Wochen der Weg frei für ein Comeback des 42-Jährigen, der eben jenes Finanzchaos schon im Sommer vorhergesagt hatte.
Das kam ihm in der Partei zugute, sodass er nach seiner offiziellen Kandidatur am Sonntag rasch prominente Fürsprecher um sich scharte. Kurzzeitig spielte auch Johnson öffentlich mit dem Gedanken einer Rückkehr, ließ jedoch davon ab. Viele seiner Unterstützer siedelten ins Sunak-Lager über. Als die letzte Rivalin Penny Mordaunt im parteiinternen Rennen schließlich aufgab, war klar: Sunaks kometenhafter Aufstieg wird im Einzug in die Downing Street No. 10 gipfeln.
Sunak gilt als braver, aber berechnender Stratege, dem die Finanzmärkte vertrauen. Die Stabilität Großbritanniens habe höchste Priorität, sagte er nach seiner Wahl vor Abgeordneten. Als zukünftiger Premier steht er vor anspruchsvollen Aufgaben: Seine Partei zu versöhnen und sein Land durch eine schwere Krise zu führen. Noch am heutigen Montag oder am morgigen Dienstag könnte er von König Charles III. mit der Regierungsbildung beauftragt werden.
Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP