
Allen Weisselberg - der Mann hinter dem Unternehmer Donald Trump.
(Foto: REUTERS)
Nicht der Ex-Präsident, nur dessen Unternehmen und Finanzchef Weisselberg sind wegen krummer Geschäfte angeklagt. Was das für Trump selbst und seine Präsidentschaftsambitionen bedeuten könnte? Der Anfang vom Ende.
Als Donald Trump noch im Amt war, gab es regelmäßig journalistische Auslassungen darüber zu lesen, was dem so polarisierenden US-Präsidenten alles drohen würde, sobald er sich nicht mehr hinter der Immunität des Amtes und seinen Sonderrechten als Staatschef verstecken könnte. Eine Myriade juristischer Prozesse wegen Steuervergehen und fragwürdigen Geschäften käme auf ihn zu. Der Ex-Präsident habe eine "historische Verwundbarkeit vor dem Gesetz", tönte etwa die "Washington Post" vor Monaten.
Nun ist ein halbes Jahr seit Trumps widerwilligem Auszug aus dem Weißen Haus vergangen. Anklagen gegen ihn persönlich gibt es keine; große Ermittlungen, die ihm wirklich gefährlich werden könnten, laut US-Medien höchstens zwei.
Eine davon war die Nachricht der vergangenen Woche: Da verklagte die Staatsanwaltschaft im Bundesstaat New York die Trump Organization wegen Steuerbetrugs, und deren Finanzchef Allen Weisselberg zusätzlich wegen Dokumentenfälschung, Diebstahl, Verschwörung und weiteren Vergehen. Das Unternehmen soll ihm Leistungen im Wert von 1,7 Millionen Dollar bezahlt haben, die Weisselberg nicht als Einkommen deklarierte. Insgesamt soll er 900.000 Dollar Steuern hinterzogen haben.
Trumps Verteidigung sagt dazu, dieses Vorgehen sei gängige Praxis in der US-Wirtschaft. Er selbst sieht sich einer politischen Kampagne ausgesetzt. Darin könnte ein Körnchen Wahrheit stecken, auch wenn die Ankläger dies dementieren. Der verantwortliche Staatsanwalt ist ein Demokrat. Es sei zudem "höchst ungewöhnlich", dass ein Unternehmen nur wegen nicht deklarierter Zusatzleistungen verklagt werde, schrieb die "New York Times".
Doch das könnte nur die erste Stufe sein. Auf der nächsten steht Trump selbst. US-Medien zufolge hat die Staatsanwaltschaft die Absicht, die Anklage auf den Ex-Präsidenten auszuweiten. Im äußersten Fall würde Trump hinter Gitter wandern. Bei politischen Gegnern besteht schon lange die Hoffnung, dass irgendein Vergehen den so ungeliebten wie skandalfesten Trump aus der politischen Arena entfernt. Damit Trump im Jahr 2024 nicht wieder zur Präsidentschaftswahl antreten kann oder darf.
Störrischer Finanzchef

Alles eine "Hexenjagd" - sagt wenig überraschend der Ex-Präsident selbst zu den Vorwürfen.
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Bislang hat Trump immer den Kopf aus der Schlinge gezogen - oder die war wenig rissfest. Warum der Ex-Präsident noch nicht direkt angeklagt wurde, darüber kann man spekulieren. Entweder haben die Ermittler nichts gegen ihn gefunden. Oder sie wollen den 73-jährigen Weisselberg mit einem Angebot weichklopfen, nach dem Motto: Sie können bis zu 15 Jahre Ihres Lebens hinter Gittern verbringen. Falls Sie uns aber weiteres Material oder Aussagen für eine Anklage gegen Ihren Boss liefern, dann verringern wir das Strafmaß. Seit Monaten sollen die Staatsanwälte dies versuchen.
Bisher hat Weisselberg dicht gehalten. Er plädiert auf nicht schuldig. Die aktuelle Anklage ist also die nächste Eskalationsstufe, um ihn zur Aussage zu bringen. Kommt es zum Prozess, wird er im kommenden Jahr oder sogar erst 2023 beginnen.
Nicht ohne Grund ist Weisselberg seit Jahrzehnten der Herr der Zahlen der Trump Organization, die eher aus einem losen Bündnis an Mitarbeitern besteht. Trump lobte seinen Finanzchef einmal dafür, "alles Notwendige" getan zu haben, "um das Endergebnis" ("bottom line") zu schützen. Wobei "bottom line" wohlgemerkt auch im übertragenen Sinne verstanden werden kann.
Die Mitarbeiter der Organisation sind in eine hierarchische Struktur der alten Schule eingewoben: Nichts passiert ohne die Einwilligung des Chefs. Offiziell ist das Trumps Sohn Eric, aber was hinter den Kulissen vorgeht, kann man sich ausmalen. Auch wenn der Ex-Präsident nach seiner Abwahl Dutzende Millionen Dollar an Spenden eingesammelt hat, die er für seine Verteidigung einsetzen könnte, ist die Trump Organization seine unternehmerische Basis. Die besteht vor allem aus Hotels und Immobilien. Im vergangenen Jahr machte sie 120 Millionen Dollar Verlust.
Die Klage angestrengt hat Cyrus Vance, Staatsanwalt von Manhattan in New York City. Seit Februar liegen den Ermittlern auch Donald Trumps Steuererklärungen ab dem Jahr 2011 vor. Der Unternehmer hatte sie nie veröffentlicht, womöglich aus gutem Grund. Es ist nicht das erste Mal, dass Staatsanwälte versuchen, ihre Zielperson wegen Steuervergehen hinter Gitter zu bringen, obwohl sie anderen Dreck am Stecken haben. Eines der prominentesten Beispiele ist Chicagos Gangsterboss Al Capone, der 1931 wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche verurteilt wurde.
Die nächste Anhörung in der aktuellen Klage gegen Trump ist für den 20. September angesetzt. In der Zwischenzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter und durchkämmt Millionen Seiten von Trumps Steuerunterlagen und weitere Dokumente.
Dass die Ermittler womöglich über Weisselberg versuchen, an Trump heranzukommen und die Klage auf ihn auszuweiten, ist nur logisch. Der Vertraute, twitterte ein Biograph von Trump, "weiß, wo all die finanziellen Leichen vergraben liegen". Dies deckt sich mit Aussagen, die Michael Cohen, Trumps ehemaliger Anwalt, vor zwei Jahren gemacht hat. Damals sagte er, mit Weisselberg gemeinsam Schweigegelder an Trumps mutmaßliche Sex-Affären gezahlt zu haben.
Cohen hatte mit Trump gebrochen und angegeben, der habe gegenüber Behörden Immobilien zum eigenen Vorteil falsch bewertet. Vance hat bereits mehrfach mit Cohen über die Geschäfte seines Ex-Chefs gesprochen. Auf diesem Weg böte sich eine Möglichkeit, Trump direkt anzuklagen - aber womöglich nur, wenn Weisselberg nach einem halben Leben im Dienste der Familie Trumps Kopf ans juristische Messer liefert. Es ginge dann potenziell um Steuer-, Bank- und Versicherungsbetrug.
Noch drei Jahre bis zur Präsidentschaftswahl
Neben den Ermittlungen in New York gibt es weitere Klagen und Untersuchungen, die sich gegen Trump selbst richten. Einige davon haben mit den Vorkommnissen nach der vergangenen Wahl zu tun. So sind etwa zwei Klagen anhängig, die eine Entschädigung für den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar fordern. Basis ist das sogenannte Ku-Klux-Klan-Gesetz, das Gewaltanwendung gegen die Arbeit des US-Kongresses verhindern soll. Es stellt solche Aufstände juristisch unter Strafe.
Aber es gibt auch positive Nachrichten für Trump. So macht die Regierung seines Nachfolgers Joe Biden keine Anstalten, irgendwelche Ermittlungen gegen den politischen Gegner führen zu wollen. Auch die Erkenntnisse von Sonderermittler Robert Mueller zur Behinderung der Justiz oder illegaler Wahlkampffinanzierung haben bislang keine Folgen, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg. Das hat auch mit dem neuen Justizminister Merrick Garland zu tun. Der sagte, Trumps damaliges Verhalten sei durch sein Amt legitimiert gewesen.
Die Anklage der vergangenen Woche hingegen ist ein Frontalangriff auf Trumps Lebenswerk: seine politische Karriere und seine Unternehmen zugleich. Die Trump Organization war von Anfang an nur er selbst, das hat er in verschiedenen seiner Bücher beschrieben; es ging um den Schein, ums größer Aussehen, als er war. Das hat sich nie wirklich geändert. Als seine Verteidiger folgerichtig die Staatsanwälte fragten, ob sie Trump persönlich anklagen wollen, sollen diese sich laut "Washington Post" bedeckt gehalten haben: "Nicht jetzt", sagten sie demnach.
Der nächste Präsidentschaftswahlkampf ist noch lange hin, erst 2024 entscheiden die US-Amerikaner über Joe Bidens zweite Amtszeit beziehungsweise dessen Nachfolger oder Nachfolgerin. Trump hat mehrfach angedeutet, dass er wieder antreten würde. Ein sich über Jahre hinziehender Strafprozess könnte für einen republikanischen Bewerber wie Trump zum Problem werden, sagte der Vorsitzende des "Great America PAC" der "New York Times". Die republikanische Wahlkampforganisation unterstützte Trump 2016 und 2020 mit vielen Millionen Dollar. "Die Leute werden fragen: Warum sollte ich zu dir zurückkommen?", wird Ed Rollins zitiert. "Warum sollte ich Geld in deinen Wahlkampf stecken?"
Quelle: ntv.de