Mit angezogener Handbremse Note 3+ für den Klimagipfel in Bonn
18.11.2017, 15:50 Uhr
Der deutsche Pavillon beim Klimagipfel. Deutschland ist als einziges großes EU-Mitglied nicht Teil des Bündnisses zum Kohleausstieg.
(Foto: AP)
Die Weltklimakonferenz ist beendet. Ein erstes Resümee: Das diplomatische Pflichtprogramm wurde erfüllt, aber die politische Führung fehlte. Damit bleiben die Aussichten auf eine effektive Umsetzung des Pariser Klimaabkommens düster. Bezeichnenderweise fand das wohl wichtigste Ereignis am Rande der Verhandlungen statt - die Gründung einer Kohleausstiegs-Allianz unter Führung von Großbritannien und Kanada. Die Erfolge und Misserfolge im Einzelnen:
Was lief gut in Bonn?
- Das "Pflichtprogramm" wurde abgearbeitet: Die Konferenz musste die Verhandlungen über das "Kleingedruckte" zum Pariser Klimaabkommen so weit voran bringen, dass es auf der Konferenz im Dezember 2018 im polnischen Katowice verabschiedet werden kann. Einen fertigen Text gibt es zwar nicht, aber immerhin: Es wurden Meinungen gesammelt, und es wurde diskutiert.
- Am letzten Tag wurde ein Fahrplan für das nächste Jahr beschlossen, der so genannte "Talanoa-Dialog". Damit steht zumindest der Weg – wenn auch noch nicht das Ziel. Und es ist klar, dass Fidschi weiter eine Rolle spielt. Das ist wichtig, weil der Inselstaat vom Klimawandel bedroht ist und deshalb ein großes Interesse an einem wirksamen Klimaschutz hat.
- Unter der Führung von Großbritannien und Kanada wurde eine Kohleausstiegs-Allianz gegründet. 19 Staaten sowie Bundesstaaten aus Kanada und den USA formierten die "Powering Past Coal Alliance" und erklärten, aus der Kohlenutzung aussteigen zu wollen. Aus der EU sind neben Großbritannien auch Frankreich, Dänemark, die Niederlande und Italien dabei. Deutschland ist als einziges der "großen" EU-Mitglieder bisher außen vor. Das Ausstiegsbündnis macht deutlich, dass Kohle als größter Klimasünder vor dem Aus steht.
Und was lief schlecht?
- Auf politischer Ebene bestand ein Führungsvakuum, das weder von der EU noch von China gefüllt wurde. Die EU war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, Deutschland orientierungslos und Frankreich fehlte trotz eines beeindruckenden Auftritts von Präsident Macron die Kraft zur Führung. Die Volksrepublik China ist anscheinend noch nicht bereit, Verantwortung auch für schwächere Staaten zu übernehmen, wenn es sich nicht wirtschaftlich rechnet.
- Die mangelnde Führung verhinderte, dass in Bonn schon echte politische Kompromisse geschlossen werden konnten. Die meisten Streitpunkte wurden vertagt oder in Ausschüsse verlagert. Der Berg der notwendigen Entscheidungen ist deshalb nicht kleiner geworden. Da die nächste Konferenz unter polnischer Führung stattfinden wird, also einem Staat, der kaum etwas für den Klimaschutz übrig hat, besteht durchaus die Gefahr des Scheiterns oder der Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Das ist zu wenig für effektiven Klimaschutz.
- Es sind schon längst begraben geglaubte Debatten wieder hochgekocht: über die unterschiedliche Verantwortung von Industriestaaten und Entwicklungsländern. In Paris waren diese Gegensätze durch feierliche Schwüre einer gemeinsamen Verantwortung übertüncht worden. Die reichen Staaten drücken sich vor planbaren finanziellen Zusagen und gefährden damit die mühsam erreichte Gemeinsamkeit. Gerade die stark gefährdeten Staaten erwarten Solidarität – zumal sie am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben.
Fazit: Note 3+ für diese Klimakonferenz in Bonn. Das Plus geht an die deutsche Bundesregierung, die innerhalb sehr kurzer Zeit für eine gute Infrastruktur und einen reibungslosen Ablauf gesorgt hat.
Das Team des Wuppertal Instituts sind Lukas Hermwille, Wolfgang Obergassel, Hermann E. Ott und Hanna Wang-Helmreich. Mehr zur internationalen Klimapolitik finden Sie hier.
Quelle: ntv.de