Staatskrise in Venezuela Opposition sieht "Staatsstreich" auf Raten
02.04.2017, 07:38 Uhr
Demonstranten gehen gegen Maduros Regierung in Caracas auf die Straße.
(Foto: REUTERS)
Venezuelas Präsident Maduro vollzieht eine Rolle rückwärts. Nach scharfen Protesten bekommt das entmachtete Parlament seine Kompetenzen zurück. Die Opposition sieht darin allerdings nur eine kosmetische Korrektur.
Nach scharfem internationalen Protest und Kritik in den eigenen Reihen um Machthaber Nicolás Maduro ist die Entmachtung des Parlaments in Venezuela wieder zurückgenommen worden. Das teilte der Oberste Gerichtshof Caracas mit, auch die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten wurde rückgängig gemacht. Zuvor hatte der Nationale Sicherheitsrat unter Vorsitz des sozialistischen Staatspräsidenten Maduro eine Überprüfung der international scharf kritisierten Urteile gefordert.
Damit bekommt das von der Opposition dominierte Parlament seine Kompetenzen zurück. Allerdings hatte Maduro zuletzt ohnehin mit Dekreten regiert - und der Gerichtshof viele Parlamentsentscheidungen annulliert. Die Opposition sieht nur eine kosmetische Korrektur, um einen "Staatsstreich" auf Raten zu kaschieren.
"Das Urteil war nur der Höhepunkt eines Staatsstreichs, der seit Monaten und Jahren in Venezuela im Gange ist", sagte Parlamentspräsident Julio Borges am Samstag auf einer Demonstration in Caracas. Tausende forderten ein Ende der Präsidentschaft Maduros, es kam zum Einsatz von Tränengas.
Risse im Machtapparat
Der ungewöhnliche Vorgang eines Zurückruderns zeugt auch von Rissen im Machtapparat der seit 1999 regierenden Sozialisten. Die Opposition hatte von einem "Staatsstreich" gesprochen, die Urteile Nr. 155 und Nr. 156 würden den Weg in Richtung Diktatur ebnen. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt ist unter Maduro in eine dramatische Versorgungskrise gerutscht. Die Inflation ist die höchste der Welt.
Maduro macht für den Mangel an Lebensmitteln, Brot und Medikamenten einen "Wirtschaftskrieg" des Auslands und den niedrigen Ölpreis verantwortlich, er bat zuletzt sogar die Vereinten Nationen um die Lieferung von Medizin. Wegen der Geldentwertung des Bolívar können in Dollar und Euro abgerechnete Importe kaum noch bezahlt werden. Die Opposition hatte die Parlamentswahl im Dezember 2015 klar gewonnen.
Der Ausnahmezustand, der Maduro Sondervollmachten gibt, wurde nicht zurückgenommen. Der Sicherheitsrat hatte betont, Ziel sei es, die "institutionelle Stabilität und das Gleichgewicht der staatlichen Gewalten" aufrechtzuerhalten. Dies war auch eine Reaktion auf die massive Kritik der Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz, die das Urteil öffentlich als "Verfassungsbruch" angeprangert hatte.
Der von den Sozialisten kontrollierte Gerichtshof hatte am Mittwoch der Nationalversammlung ihre Kompetenzen entzogen und auf sich selbst übertragen. Außerdem hob das Gericht einen Tag zuvor bereits die Immunität der Abgeordneten auf. Das Gericht hatte dem Parlament Respektlosigkeit und unzureichende Zusammenarbeit mit den anderen Staatsgewalten vorgeworfen. Das Parlament nannte das einen "Staatsstreich" und sah Maduro als Treiber für die Entscheidung.
Als Folge des Urteils hätte der auch in eigenen Reihen umstrittene Nachfolger des 2013 verstorbenen Hugo Chávez eine enorme Machtfülle bekommen. Zunächst hatte der 54-Jährige das Urteil verteidigt: "Die Revolution wird sich konsolidieren." Er bezeichnete die Opposition als "rechte Putschisten", die schon Champagner kaltgestellt hätten. Die südamerikanische Wirtschaftsunion Mercosur, dessen Mitglied Venezuela ist, verurteilte in einer Dringlichkeitssitzung der Außenminister Brasiliens, Argentiniens, Paraguays und Uruguays den "Bruch der demokratischen Ordnung" und forderte die vollständige Achtung der Gewaltenteilung und einen Fahrplan für Wahlen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa