Politik

Zum Klimagipfel in Ägypten Polizei in Kairo drangsaliert Aktivisten

Aufrufe zu Protesten während des Klimagipfels machen das Regime in Kairo nervös.

Aufrufe zu Protesten während des Klimagipfels machen das Regime in Kairo nervös.

(Foto: IMAGO/NTB)

Vor einer Rede des US-Präsidenten beim Klimagipfel in Scharm el-Scheich wird die ägyptische Regierung nervös. Die Polizei ist angewiesen, Demonstrationen noch im Keim zu ersticken. Dabei geht es weniger um die Umwelt und mehr darum, Regimegegner mundtot zu machen.

Polizeikontrollen, Durchsuchungen von Mobiltelefonen, willkürliche Festnahmen und Verhöre durch die Militärjustiz: Nach Aufrufen zu Protesten während der UN-Klimakonferenz in Scharm el-Scheich hat die ägyptische Polizei nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten die Repressionen gegen mutmaßliche Regierungsgegner verschärft. Begonnen habe alles schon im Oktober, als im Onlinedienst Twitter erstmals der Aufruf "Demonstriert am 11.11." auftauchte, berichtet der bekannte ägyptische Menschenrechtsanwalt Chaled Ali. Am 11. November wird US-Präsident Joe Biden in Scharm el-Scheich erwartet.

Seit dem ersten Demonstrationsaufruf "verhört die Militärstaatsanwaltschaft fast täglich Menschen", schreibt Ali auf seiner Facebook-Seite. Ob es am Freitag in Ägypten tatsächlich zu Protesten kommt, ist bisher völlig unklar - in dem nordafrikanischen Land sind Demonstrationen ohne vorherige Genehmigung durch die Behörden verboten. Angesichts der massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten und der großen Unzufriedenheit in der Bevölkerung sind die Behörden in Kairo aber offensichtlich nervös.

Die Inflation in Ägypten liegt bei über 15 Prozent, das ägyptische Pfund hat in diesem Jahr die Hälfte seines Wertes verloren. Mit einem Monatseinkommen von weniger als 2200 Pfund, umgerechnet 92 Euro, lebt ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Selbst Präsident Abdel Fattah al-Sisi räumte kürzlich ein: "Ich sage Ihnen aus tiefstem Herzen: Jemand, der weniger als 10.000 Pfund im Monat verdient, kann davon nicht leben". Hinzu kommt die Unterdrückung der Opposition: In ägyptischen Gefängnissen sitzen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mehr als 60.000 politische Gefangene, Kritiker der Regierung werden mundtot gemacht, unabhängige Medien gibt es kaum noch.

Hungerstreik gegen Haftbedingungen

Für internationale Aufmerksamkeit sorgt im Moment vor allem der Fall des Aktivisten Alaa Abdel Fattah, der seit 2019 inhaftiert ist und 2021 wegen Verbreitung von "Falschinformationen" zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Seit sieben Monaten protestiert er mit einem Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen. Bis Dienstag vergangener Woche nahm er nach Angaben seiner Schwester Sanaa Seif jeden Tag nur 100 Kalorien zu sich. Seitdem verweigert er die Nahrungsaufnahme komplett. Seit Sonntag, dem ersten Tag der Klimakonferenz, trinkt er auch kein Wasser mehr.

Die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, fordert seine sofortige Freilassung - andernfalls werde Abdel Fattah im Gefängnis sterben. "Es bleibt nicht viel Zeit, maximal 72 Stunden", warnte sie am Sonntag in Kairo. Der britische Premierminister Rishi Sunak hat bereits angekündigt, sich in Scharm el-Scheich für Abdel Fattah einzusetzen, der auch die britische Staatsangehörigkeit hat. Er werde alles dafür tun, um den Fall zu "lösen", schrieb er in einem Brief an Sanaa Seif.

Passanten im Zentrum von Kairo festgenommen

Wie nervös die ägyptischen Behörden sind, zeigte sich bereits Ende Oktober beim Hauptstadt-Derby der Kairoer Fußballvereine Al-Ahly und Zamalek. Protestaufrufe unter dem Stichwort "Nach dem Spiel" riefen die ägyptische Polizei auf den Plan: Vor allem rund um den Tahrir-Platz, der 2011 der Schauplatz wochenlanger Massenproteste gegen den langjährigen Machthaber Husni Mubarak gewesen war, waren schon ab dem Nachmittag Cafés geschlossen, in denen normalerweise Fußballspiele gezeigt werden. Einige Betreiber sagten, sie seien von der Polizei dazu gezwungen worden. Nach dem Abpfiff des Spiels am Abend war das Polizeiaufgebot riesig. Polizisten in Uniform und Zivil sperrten Straßen rund um den Tahrir-Platz ab - Demonstranten wurden allerdings nicht gesichtet.

Seit den neuen Protestaufrufen werden im Zentrum von Kairo nun verstärkt "Passanten festgenommen und ihre Telefone durchsucht", wie die Menschenrechtsanwältin Mahienur al-Masry berichtet. "Auch ihre Seiten in Online-Netzwerken werden überprüft", ergänzt die Menschenrechtsorganisation WeRecord. Wer im Verdacht stehe, politisch aktiv zu sein, werde kurzerhand in Haft genommen.

Quelle: ntv.de, mau/AFP

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