Klimagipfel startet, Krieg tobt Den Staaten Afrikas droht nächste Enttäuschung
06.11.2022, 08:45 Uhr
Ein Zyklon zerstörte 2019 in Beira und anderen Teilen von Mosambik weite Landesteile. Menschen verloren ihr Zuhause, Ackerflächen und Infrastruktur ging verloren.
(Foto: picture alliance / AA)
Kein Kontinent hat so wenig zum Klimawandel beigetragen und bekommt ihn derartig zu spüren wie Afrika. Die afrikanischen Regierungen wollen deshalb beim Klimagipfel in Ägypten endlich Taten von den Industriestaaten sehen. Doch wegen des Krieges in Europa dürften sie erneut enttäuscht werden.
Unter denkbar schwierigen Vorzeichen beginnt am Sonntag die diesjährige UN-Klimakonferenz (COP27) in Ägypten: Weltweit steigende Lebensmittel- und Energiepreise als Folge des russischen Krieges in der Ukraine, Nahrungsmittelunsicherheit in vielen Ländern und die Nachwirkungen der verheerenden Pandemie scheinen wenig Raum für ambitionierten Klimaschutz zu lassen.
Trotzdem haben afrikanische Länder hohe Erwartungen an die COP27, die aufgrund ihres Austragungsortes auch als afrikanische Klimakonferenz bezeichnet wird. Die ägyptischen Gastgeber sprechen von einem Gipfel der Umsetzung, um deutlich zu machen, dass der Klimawandel nur mit Taten, nicht aber mit Worten aufgehalten werden kann.
Handlungsbedarf besteht aus Sicht der afrikanischen Staaten besonders bei der Klimafinanzierung. Bereits seit 2020 sollten Entwicklungs- und Schwellenländer jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar unterstützt werden, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen zu können. Die OECD schätzt, dass bisher erst 80 Prozent mobilisiert werden konnten. Die Finanzierungslücke ist mittlerweile ein Symbol für die fehlende Solidarität der Industrieländer, die die Klimakrise maßgeblich verursacht haben.
Verheerende Klima-Folgekosten für armen Kontinent
Wie viel Geld auf dem afrikanischen Kontinent für die Erreichung der Klimaschutzziele tatsächlich benötigt wird, ist schwer zu beziffern. Die UN-Wirtschaftskommission für Afrika geht von mehr als einer Trillion Dollar aus. Aber es geht nicht nur darum, finanzielle Zusagen zu erhöhen, sondern auch um eine Neuausrichtung der Finanzarchitektur, hin zu mehr Transparenz und verbesserten Anreizmechanismen für private Investitionen. Letzteres haben die afrikanischen Länder freilich auch selbst in der Hand, indem sie bessere Rahmenbedingungen für den Privatsektor schaffen.
Afrikanische Länder sind von den Folgen des Klimawandels überdurchschnittlich stark betroffen und fordern daher, dass die Anpassung an den Klimawandel künftig mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung erhält. Bereits heute kosten die Klimawandelschäden diese Länder durchschnittlich fünf Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes. Adaptionsmaßnahmen könnten wirtschaftliche Schäden minimieren.
Zu den wichtigsten Anpassungsmaßnahmen gehören beispielsweise Frühwarnsysteme für extreme Wetterereignisse, Aufforstung von Mangrovenwäldern in Küstennähe um Überflutungen vorzubeugen oder, und das ist für Afrika besonders relevant, klimaresistente Landwirtschaft. Aus Sicht der Klimadiplomaten des Kontinents sollte deshalb die Finanzierung von Anpassungsmechanismen verbessert werden und das Thema einen ebenso großen Stellenwert wie die Reduzierung der Treibhausgasemissionen bei internationalen Klimaverhandlungen erhalten.
Was aber ist zu tun, wenn die Folgen des Klimawandels so weit fortgeschritten sind, dass sich Menschen an die geänderten Lebensbedingungen nicht mehr anpassen können, oder aber die dafür notwendigen technischen und finanziellen Ressourcen nicht zur Verfügung stehen? In Artikel 8 des Pariser Klimaabkommens verpflichten sich alle Vertragspartner, bei dieser Art von Verlust und Schaden (loss and damage), Unterstützung zu leisten.
Bisher ist jedoch unklar, wie Artikel 8 in der Praxis angewendet werden kann. Schon lange fordern afrikanische Länder, dass es endlich konkreter wird, beispielsweise durch die Errichtung eines separaten Fonds oder einem konkreterem Regelwerk zur Definition von permanenten Klimaschäden. Die Industrieländer hingegen bleiben lieber vage. So erklärte beispielsweise die Europäische Union unverbindlich, sie bemühe sich, zum Thema effektive Lösungen zu finden.
Warum soll ausgerechnet Afrika Emissionen sparen?
Verbindlicher hingegen waren die Zusagen vieler Industrieländer bei der vergangenen COP26, in den kommenden Jahrzehnten klimaneutral zu werden. Der afrikanische Kontinent hingegen ist nur für vier Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, daher wird die Pflicht zur Reduzierung von Treibhausgasen primär bei den Industrieländern gesehen. Mit zunehmendem Unverständnis reagieren manche afrikanische Staatschefs, wenn von ihnen immer ambitioniertere Klimaziele gefordert werden, während noch immer 600 Millionen Menschen, die Hälfte der Bevölkerung, keinen Zugang zu Strom hat.
Die Bedeutung von Erdgas für die Industrialisierung des Kontinents hat in der öffentlichen Debatte an Bedeutung gewonnen - Länder wie Senegal, Nigeria, Angola oder Mosambik verfügen über bisher ungenutzte Reserven - und im Juni dieses Jahres sprach sich die Afrikanische Union für die Nutzung von Gas als notwendige Brückentechnologie aus.
Diese Position ist in Afrika nicht unumstritten, allerdings hat die Glaubwürdigkeit der Energiewende, durch die aktuelle Energiekrise und die damit verbundene Rückkehr zu fossilen Brennstoffen in vielen Industrieländern, gelitten, was für die internationale Klimadiplomatie nicht gerade hilfreich sein dürfte. Zudem droht die Debatte um den Stellenwert von Erdgas im künftigen Energiemix, Afrikas Verhandlungen über effektivere Klimaschutzmaßnahmen zu überlagern.
Vor diesem Hintergrund scheint es wenig wahrscheinlich, dass die hohen Erwartungen der afrikanischen Länder erfüllt werden. Aufgrund der steigenden weltweiten Inflation und den damit verbundenen Preissteigerungen und hohen Kreditzinsen sind die Aussichten auf zusätzliche Klimafinanzierung begrenzt. Wenn es gelingt, die Debatte um die gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung für die Eindämmung des Klimawandels pragmatisch zu führen, und die Industrieländer die Anstrengungen Afrikas, sich an den Klimawandel anzupassen, stärker als bisher honorieren würden, könnten jedoch punktuell Fortschritte erzielt werden.
Anja Berretta leitet für die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) seit Januar 2019 das Regionalprogramm Energiesicherheit und Klimawandel Subsahara-Afrika in Kenia.
Quelle: ntv.de