
Der Corona-Protest in Dortmund.
(Foto: picture alliance/dpa)
Am Wochenende treten zwei Polizisten als Redner bei verschiedenen Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auf. Beiden drohen nun schwere Sanktionen, einer ist suspendiert. Die Polizei Hannover erklärt, Beamte könnten sich zwar frei äußern - allerdings getrennt von dienstlichem Handeln.
Michael F. wird sich nicht im Nachhinein damit herausreden können, er habe spontan und ohne nachzudenken einen unüberlegten Fehler begangen. Das wird der inzwischen suspendierte Kriminalhauptkommissar wohl auch nicht wollen, obwohl seine Karriere und sein Beamtenstatus akut gefährdet sind. F. tritt am Sonntag in Dortmund als Redner bei der Corona-Demonstration der Initiative "Querdenken 231" auf. Seine Ansprache leitet er damit ein, sich als Polizist vorzustellen, der sich die folgenden Worte sehr genau überlegt habe.
Es folgt eine heftige Kritik an den Pandemie-Maßnahmen von Politik und Behörden sowie an der medialen Berichterstattung. F. sieht sich demnach an das "dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte" erinnert und warnt seine Kollegen vor "bedingungslosem Gehorsam". "Mein Bauch sagt mir, dass sich alles wieder in dieselbe Richtung entwickelt", sagt F. und zieht diverse Parallelen zum Holocaust. Die Schlüsselstelle für F.'s weitere Karriere ist aber wohl der Satz: "Liebe Polizisten, geht in eure Herzen und fragt euch (...), ob ihr das mittragen wollt. Denkt an euren Auftrag und schließt euch an", sagt F., woraufhin die Zuhörer immer wieder "Schließt euch an" skandieren.
Polizeidirektion Hannover reagiert
"Ich bin mir sicher, dass mein Verhalten Dienst- und disziplinarrechtliche Konsequenzen haben wird", sagt der Kriminalhauptkommissar. Und so ist es tatsächlich: Nachdem sich die Rede rasend schnell im Internet verbreitet hat, reagiert die Polizeidirektion Hannover noch am Montagabend: Sie informiert die "Hannoversche Allgemeine Zeitung", dass F. suspendiert worden sei. Auf Nachfrage von ntv.de teilt die Polizeipressestelle mit, das Recht auf freie Meinungsäußerung gelte auch für Beamte. "In ihrem Auftreten und bei ihren Äußerungen in der Öffentlichkeit sind sie dabei allerdings zur Mäßigung und Zurückhaltung aufgerufen." Und: "Private Meinung und dienstliches Handeln sind stets zwingend zu trennen."
Beide Grenzen hat F. mit seinen Vergleichen zur Nazi-Diktatur und seinem Aufruf an Polizisten zum Widerstand womöglich überschritten. Die Behörde verhängte gegen F. deshalb ein vorläufiges Dienstverbot. Sie hat nun drei Monate Zeit, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Passiert nichts, kann der Mann in den Dienst zurückkehren. Im schlimmsten Fall aber droht ihm der Verlust des Beamtenstatus.
"Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei!"
Ein ähnlicher, in der Wortwahl aber wesentlich milderer Fall geschieht am Samstag in Augsburg. Mit den Worten "Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei!", betritt ein Mann die Bühne der örtlichen Corona-Demonstration. Er stellt sich als Bernd B. vor, Dienstgruppenleiter in Mittelfranken. Dafür, dass er als Polizist auftritt, erhält er reichlich Zuspruch von den Protestteilnehmern.
B. bezeichnet seinen Dienst während der großen Corona-Demonstration am 1. August in Berlin als "Initialzündung". Die Teilnehmer des Protestzugs seien von Politik und Medien verzerrt dargestellt worden. Zudem werde mit Blick auf die Teilnehmer der vorangegangenen Antirassismus-Proteste mit zweierlei Maß gemessen, kritisiert er. B. zweifelt zudem generell die Verhältnismäßigkeit der Pandemie-Maßnahmen an.
Gewerkschaft "irritiert"
Am kritischsten für B. dürfte wohl der einleitende Aufruf an die anwesenden Polizisten "Schließt euch an" sein, den er sinngemäß am Ende wiederholt. Der "Bayerische Rundfunk" berichtet, dass B. bereits versetzt worden sei. Das Polizeipräsidium Mittelfranken in Nürnberg prüft demnach, ob ein dienstrechtliches Fehlverhalten vorliegt. Auf Nachfrage der "Welt" wollte ein Pressesprecher die Versetzung nicht bestätigen.
In zahlreichen Internetforen und sozialen Medien werten die politisch sehr breit gefächerten Corona-Kritiker die Sanktionen gegen die Beamten als Beleg für eine vermeintliche Corona-Diktatur. Sie sehen die durch die Artikel 5 und 8 des Grundgesetzes verbürgte Versammlungs- und Meinungsfreiheit verletzt. Die Polizeibehörden dagegen verwiesen auf das Mäßigungsgebot und die Trennung von dienstlichem und privatem Handeln. Peter Pytlik von der Bezirksgruppe Schwaben Süd/West der Gewerkschaft der Polizei sagte dem "BR", er sei über B.'s Auftritt "irritiert". Er höre zum ersten Mal von einem derartigen Fall.
Quelle: ntv.de