Politik

Straßenschlacht vor Parlament Proteste gegen "Agenten"-Gesetz in Tiflis wachsen an

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Wie am Vorabend liefern sich Demonstranten und Sicherheitskräfte eine Straßenschlacht in der georgischen Haupstadt.

Wie am Vorabend liefern sich Demonstranten und Sicherheitskräfte eine Straßenschlacht in der georgischen Haupstadt.

(Foto: REUTERS)

Nach Sorge vor einer prorussischen Ausrichtung der georgischen Politik und Billigung eines umstrittenen Mediengesetzes demonstrieren am zweiten Tag in Folge Tausende Menschen in Tiflis. Einige Demonstranten sollen versucht haben, ins Parlament einzudringen. Die Polizei agiert rabiat.

Bei regierungskritischen Protesten in der georgischen Hauptstadt Tiflis sind Sicherheitskräfte am zweiten Tag in Folge erneut mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Demonstranten vorgegangen. Die Demonstranten umringten nach Augenzeugenberichten das Parlament der Südkaukasusrepublik; einige versuchten auch, in das Gebäude einzudringen. Daraufhin setzten die starken Polizeikräfte wie am Abend zuvor Tränengas und Wasserwerfer ein, wie Bilder russischer und georgischer Nachrichtenagenturen sowie Fernsehsender zeigten. Beobachter schätzten die Zahl der Demonstranten auf 10.000 bis 15.000. Es seien mehr als am Dienstagabend.

Der Protest hat sich an einem umstrittenen Gesetzentwurf entzündet: Ähnlich wie in Russland will die georgische Führung Medien und Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland unterstützt werden, als ausländische Agenten einstufen.

Am gestrigen Dienstag war es bei Protesten vor dem Parlament zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen, dutzende Menschen wurden festgenommen. Die Behörden gaben am Mittwoch 66 Festnahmen bekannt. Sie warfen den Demonstrierenden vor, Polizisten mit Steinen und anderen Gegenständen beworfen und später das Parlament mit Brandsätzen und Feuerwerkskörpern angegriffen zu haben. Knapp 50 Polizisten seien verletzt worden. Auch Zivilisten wurden verletzt - Zahlen nannten die Behörden allerdings nicht.

Entwurf erinnert an Kreml-Gesetz

Zehntausende Menschen zogen nun auch am Abend, nachdem das Gesetz in erster Lesung im Parlament gebilligt wurde, mit Flaggen Georgiens und der EU vor das Parlament in der Hauptstadt Tiflis. Das Gesetz soll aus Sicht der Opposition regierungskritische Medien und Nichtregierungsorganisationen einschüchtern. Auch Präsidentin Salome Surabischwili verurteilte das Gesetzesvorhaben.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel aus dem Ausland erhalten, sich als sogenannte ausländische Agenten registrieren lassen müssen. Anderenfalls drohen ihnen Strafen. Die Vorlage erinnert an ein Gesetz, das 2012 in Russland verabschiedet worden war. Der Kreml hat dieses Gesetz seither umfassend genutzt, um gegen Medien, regierungskritische Organisationen und andere Kritiker vorzugehen.

Bei den Protesten am heutigen Mittwoch, zu denen die Opposition und zivilgesellschaftliche Gruppen aufgerufen hatten, blockierten Demonstranten auch die Hauptverkehrsstraße von Tiflis. Sie forderten die Regierung auf, den Gesetzentwurf fallen zu lassen und riefen Parolen wie "Nein zum russischen Gesetz". Die Polizei und die Opposition machten zunächst keine Angaben zur Zahl der Demonstrierenden, nach Schätzungen eines AFP-Korrespondenten waren es Zehntausende.

Streit um außenpolitische Ausrichtung

Präsidentin Surabischwili stellte sich hinter die Protestierenden. "Ihr repräsentiert heute das freie Georgien, das seine Zukunft in Europa sieht und das niemanden diese Zukunft rauben lassen wird", erklärte sie während eines Besuchs in New York. Sie kündigte ihr Veto gegen das Gesetz an - die Regierungspartei Georgischer Traum kann sich darüber jedoch mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament hinwegsetzen.

Die kleine frühere Sowjetrepublik Georgien strebt eigentlich den Beitritt zu EU und NATO an. In jüngster Zeit nährten aber mehrere Maßnahmen der Regierung Befürchtungen, das Land könne sich unter Regierungschef Irakli Garibaschwili Russland zuwenden. Dieser spricht von einer "ausgewogenen" Politik, die für "Frieden und Stabilität" sorgen soll.

Der ukrainische Präsident Selenskyj solidarisierte sich indessen mit den Protestierenden. In seiner allabendlichen Video-Ansprache an das ukrainische Volk sagte Selenskyj: "Es gibt keinen Ukrainer, der dem mit uns befreundeten Georgien keinen Erfolg wünschen würde. Demokratischen Erfolg. Europäischen Erfolg". Alle "freien Nationen Europas" hätten es verdient, Teil der EU zu werden.

Quelle: ntv.de, mpe/dpa/AFP

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