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Treffen in Italien Putins langer Schatten ist beim G7-Gipfel allgegenwärtig

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Gruppenfoto beim G7-Treffen in Bari.

Gruppenfoto beim G7-Treffen in Bari.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Staats- und Regierungschefs der G7-Gruppe schnüren bei ihrem Treffen ein gewaltiges Hilfspaket für die Ukraine. Obwohl nicht direkt anwesend, ist Wladimir Putin in Bari allgegenwärtig. Der Kremlchef dürfte auf ein Comeback von Donald Trump hoffen.

Der Weg vom G7-Gipfel zu Frieden, zu Völkerverständigung und sogar zu Wladimir Putin wäre überhaupt nicht weit. Es wäre schon genug, wenn die Staats- und Regierungschefs der Siebenergruppe ihr Luxushotel an der italienischen Adria-Küste verließen und sich für 20 Minuten ins Auto setzten. In Bari, der nächstgelegenen größeren Stadt, steht vor der Kirche San Nicola ein russisches Geschenk von 2003: ein Denkmal des Heiligen Nikolaus, daneben eine von Putin gestiftete Bronzetafel mit einem Bekenntnis zu Frieden und Zusammenarbeit.

Nun war die Weltlage vor zwei Jahrzehnten noch eine andere. Inzwischen weiß man, was von Putins Worten zu halten ist. Einige Leute haben versucht, seinen Namen von der Tafel wegzukratzen - ohne Erfolg. So ähnlich geht es den Sieben auch. Der Kremlchef ist zwar schon seit 2014, seit der Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim, bei solchen Treffen nicht mehr dabei. Aber irgendwie ist Putin doch präsent - wie ein dunkler Schatten, der trotz des blauen Himmels und all der strahlenden Sonne über dem Gipfel liegt.

Danksagung von Selenskyj

Auch der Tagungsort ist gewissermaßen russisch geprägt. Im Luxushotel "Borgo Egnazia" mit seinen 28 Villen (aktueller Preis für ein Doppelzimmer: 2400 Euro) war schon allerlei internationale Prominenz zu Gast wie Madonna, Justin Timberlake oder die Beckhams. Bis zum Überfall auf die Ukraine gehörten aber auch viele Neureiche aus Russland zum Stammpublikum. Heute kommt von dort niemand mehr.

Dafür war heute Wolodymyr Selenskyj zu Besuch, derzeit ein Dauergast bei Treffen der westlichen Staatengemeinschaft. Der Abstecher nach Apulien, zwischen einem Besuch in Saudi-Arabien und einer Friedenskonferenz am Samstag in der Schweiz, lohnte sich für den ukrainischen Präsidenten durchaus.

Die Sieben schnürten für sein Land ein gewaltiges Hilfspaket, das aus den Zinserträgen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen finanziert werden soll. Allein die USA erklärten sich bereit, für den geplanten Kredit 50 Milliarden Dollar, umgerechnet rund 46 Milliarden Euro, zur Verfügung zu stellen. Damit soll sichergestellt werden, dass Kiew für die nächsten Jahre ausreichend Geld zur Verfügung hat. Selenskyj bedankte sich dann auch aufs Freundlichste.

Scholz: 50 Milliarden für die Ukraine

Bundeskanzler Olaf Scholz erläuterte das Vorhaben so: "Der russische Präsident hat einen ganz offensichtlichen Plan: Er will so lange seinen Krieg vorantreiben, bis alle anderen aufgeben, die Ukraine zu unterstützen. Und dieser Plan ist heute gescheitert." Mit den 50 Milliarden werde es der Ukraine ermöglicht, alles zu finanzieren, was militärisch und beim Wiederaufbau nötig sei. In welchem Umfang sich Berlin beteiligt, soll noch geklärt werden.

Putin wird mit großer Sicherheit nie wieder bei einem Treffen der Sieben dabei sein. Dafür könnte beim Jubiläumstreffen zum 50-jährigen Bestehen der Gruppe nächstes Jahr ein anderer wieder dabei sein: Donald Trump. Trotz aller Skandale liegt der ehemalige US-Präsident, der an diesem Freitag 78 wird, in nationalen Umfragen knapp vor Amtsinhaber Joe Biden. Schafft er bei der Wahl im November das Comeback, wird der nächste G7-Gipfel mit Sicherheit ungemütlicher - für alle.

Der Republikaner kehrte während seiner ersten Amtszeit vielen internationalen Verbündeten den Rücken, suchte stattdessen die Nähe Putins und anderer Autokraten und drohte sogar mit dem Verlassen der NATO. Trump macht keinen Hehl daraus, was er vorhat: die Unterstützung für Kiew dramatisch zurückfahren oder ganz einstellen - und Putin auf dessen imperialistischer Mission in der Nachbarschaft freie Hand lassen.

"Die G7 ist keine geschlossene Festung"

Deshalb sorgen die G7 vor, auch mit dem vielen Geld. Zudem soll ein neues bilaterales Sicherheitsabkommen zwischen den USA und der Ukraine Zusagen über mehrere Jahre garantieren. Kiew hat solche Abkommen bereits mit mehr als einem Dutzend Ländern geschlossen, auch mit Deutschland. Im Namen der EU versicherte auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen abermals, die Ukraine so lange zu unterstützen wie erforderlich.

Während die G7-Chefs vor einem möglichen Trump-Comeback zum Sprint ansetzen, um Fakten zu schaffen, spielt Putin auf Zeit. Der Kremlchef hofft, dass die Verbündeten der Ukraine müde werden - und sich die Dynamik bei einer Trump-Rückkehr zu seinen Gunsten ändert. Mit Genugtuung dürfte Putin beobachten, wie geschwächt aktuell die meisten G7-Chefs in den eigenen Ländern sind, auch Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Hinzu kommt, dass sich auch die Sieben schon seit vielen Jahren in einer Art Selbstfindungsprozess befinden. Offensichtlich ist, dass sie mit dem Aufstieg von Staaten wie China, Indien und Brasilien an Bedeutung verloren haben. Auch deshalb sind die Staats- und Regierungschefs aus einem Dutzend anderer Staaten am Freitag als Gäste eingeladen.

Keinesfalls will sich die Gruppe mit einer Rolle als Bollwerk des Westens zufriedengeben. Oder wie die Gastgeberin formulierte, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni: "Die G7 ist keine geschlossene Festung, die sich vielleicht gegen irgendjemanden verteidigen muss."

Erstmals in fast einem halben Jahrhundert G7 wird am Freitag dann auch ein Papst dabei sein: Franziskus kommt mit dem Hubschrauber aus Rom angeflogen, um über Künstliche Intelligenz sprechen. Möglicherweise lässt sich das Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken aber auch nicht nehmen, der hohen Politik etwas zum Thema Krieg und Frieden zu sagen. Und vielleicht spendet der Papst den G7 sogar Zuspruch und Segen.

Quelle: Christoph Sator, Christiane Jacke, Michael Fischer und Ansgar Haase, dpa

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