Aufregung in Friedrichshain Queerer Club lehnt geplantes Asylheim ab


Friedrichshain ist eindeutig einer der buntesten Stadtteile Berlins.
(Foto: imago images / snapshot)
Die Betreiberin eines queeren Lokals in Berlin lehnt ein neues Asylbewerberheim in der Nähe ab. Sie sieht die Sicherheit ihrer Gäste in Gefahr - wegen Respektlosigkeit unter Muslimen für Lesben und Schwule. CDU-Abgeordnete schließen sich dem Appell an, Linke zeigen sich entsetzt.
Neulich erhielt Kai Wegner, Berlins Regierender Bürgermeister, ein Protestschreiben. Es richtete sich gegen eine neue Unterkunft für etwa 650 Asylbewerber nahe der Warschauer Brücke im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Das Heim werde das "Erscheinungsbild und Zusammenleben" im Kiez verändern, schrieb die Absenderin. Für Familien entstehe "ein Angstraum", da Gehwege, Spiel- und andere öffentliche Plätze nicht nur "durch Flüchtlingskinder, gegebenenfalls mit deren Müttern, sondern auch durch Jugendgruppen und Personen mit mangelndem Integrationswillen in Anspruch genommen werden".
Unter Verweis auf die in jüngerer Zeit gewachsene Kriminalität an der Warschauer Brücke erklärte die Briefschreiberin: "Dies wird mit der Unterkunft zu einer Explosion der Fallzahlen führen." Und weiter hieß es in ihrem Appell an Wegner, das bisherige Touristen-Hostel weiter Hostel sein zu lassen: "In den letzten Monaten erhöhte sich die Zahl der Straftaten gegen homosexuelle Personen in Berlin enorm. Die weitaus überwiegende Zahl der Straftäter sind Migranten mit muslimischem Hintergrund."
Wahrscheinlich hätte die Öffentlichkeit von dem Schreiben nie erfahren - publik machten es die Zeitungen "BZ" und "Bild" -, wenn es sich bei der Beschwerdeführerin nicht um die Betreiberin des Schwulen- und Lesbenclubs "Die Busche", Carla Pahlau, handeln würde. Der Laden war 1985 noch zu DDR-Zeiten eröffnet worden. Er liegt im Stadtteil Friedrichshain, der zu den buntesten in Berlin zählt und politisch von den Grünen dominiert wird.
Vorwürfe aus der Szene
Die Diskussion über die Aussagen wurde schnell zu einem Paradebeispiel, wie politische Auseinandersetzungen heute häufig ablaufen. Obwohl sich Pahlau vom rechten Lager abgrenzte, wurde ihr "Annäherung an rechtspopulistische Debatten" vorgeworfen, wie es etwa im LGBTQ-Magazin "Siegessäule" hieß. Der Inhalt des Briefes sei von "der rechten Influencer-Welle virusartig verbreitet" worden. "Eine erfundene Gefährdung wird zum gefundenen Fressen für all jene, die 'den muslimischen Mann' als Erzfeind der queeren Community darstellen."
Kritiker der "Busche"-Chefin verwiesen darauf, dass die Justizverwaltung Berlins keine statistischen Angaben zur Religionszugehörigkeit Verdächtiger erhebe und Pahlau keine Quelle für ihre Darstellung nenne. Die Clubmanagerin erklärte in der "Welt" unter Verweis auf Gespräche mit Polizisten und Opfern von Hass-Kriminalität, unter den Straftätern seien "natürlich auch deutsche". Jedoch: "Der Großteil sind Migranten, die queere Menschen nicht anerkennen."
"Den perfekten Ort für ein Flüchtlingsheim gibt es nicht"
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bestätigt eine Zunahme von Angriffen auf Leute der Szene. "Die Sorgen der 'Busche'-Betreiberin werden ernst genommen", sagte Berlins GdP-Sprecher Benjamin Jendro ntv.de. "Denn wir reden über Menschen aus Ländern, in denen nostalgische Weltbilder und das Patriarchat noch stärker verbreitet sind als in Deutschland und in denen auf Homosexualität die Todesstrafe steht." Allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass diese Umstände auch Fluchtgründe seien. Generell gelte: "Den perfekten Ort für ein Flüchtlingsheim gibt es nicht." Wenn von heute auf morgen Hunderte in ein Gebäude einzögen, verändere sich ein Kiez. "Selbstverständlich wird die Polizei ein Auge auf die Unterkunft und die Umgebung haben." In jedem Fall gelte: Wer in Deutschland leben wolle, müsse eine Gesellschaft akzeptieren, "in der jeder jeden lieben kann".
In der Politik wird das Thema heftig diskutiert. Marlene Heihsel, die für die FDP im Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg sitzt, "kann die Ängste nachvollziehen" und lobt Pahlau, "das realistische Konfliktpotenzial ehrlich anzusprechen". Allerdings sollten Flüchtlinge auch "in unserer Mitte" statt am Stadtrand wohnen. Wiebke Neumann, queerpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, warb in "BZ" und "Bild" dafür, etwaiges Konfliktpotenzial einzudämmen, indem die Heimbewohner "auf ihren neuen Sozialraum vorbereitet werden".
Neumanns CDU-Kollegen Kurt Wansner und Timur Husein wiederum nannten die Wahl des Standorts "eine Katastrophe": wegen der Fußläufigkeit zum "Busche", aber auch zu einer großen Diskothek, der Warschauer Brücke sowie zwei Hotspots der Drogenszene. Das werde zu einer "massiven Verwerfung" samt eines drastischen Anstiegs der Kriminalität in dem Viertel führen. Wansner und Husein appellierten an die von CDU und SPD getragene Landesregierung, das Flüchtlingsheim "nicht zu eröffnen".
Senat hält am Standort fest
Bei Sozialdemokraten löste die Forderung Entsetzen aus. Aziz Bozkurt, als Staatssekretär in der SPD-geführten Senatsverwaltung für Soziales auch für Integration und Antidiskriminierung zuständig, schrieb auf X (früher Twitter) an die Adresse Huseins, der solle sich andere Themen zwecks PR in eigener Sache suchen. Denn, so Bozkurt: "Hetze hilft den Falschen." Die Grünen-Abgeordnete Marianne Burkert-Eulitz, die wie Husein und Wansner den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vertritt, warf dem Christdemokraten vor, Hass zu schüren.
Die Senatsverwaltung für Soziales hielt an dem Standort "aus humanistischer Pflicht" fest. "Wir sind froh, geeignete Immobilien zu finden, die zentrumsnah liegen: in Kiezen mit bestehender sozialer Infrastruktur", teilte ein Sprecher ntv.de mit. "Nur so gelingt Integration." Die Sorgen der "Busche"-Chefin seien berechtigt. Die Landesregierung fördere "zahlreich" die Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, was Flüchtlinge einschließe. "Wir bauen daher bestehende Präventions-, Beratungs- und Antigewaltarbeit zum Schutz queerer Personen aus."
Pahlau wiederum bescheinigte ihren Kritikern Realitätsferne. Sie habe nichts gegen Migranten und lasse sich nicht in die rechte Ecke stellen, sagte sie in dem "Welt"-Interview. Gefahr für ihre Gäste sei real. Die Landesregierung habe erst eine Woche vor Eröffnung des Heims die Anwohner informiert. Ihr Rechtsanwalt habe Ungereimtheiten bei der Umwandlung des Hostels in eine Herberge für Asylbewerber festgestellt. "Entsprechend halte ich mir ein juristisches Vorgehen offen." Sie sei zudem genervt von der "Verzögerungstaktik" der Behörden, wenn sie Auskunft verlange. Denn schließlich: "Letztlich bin ich für die Sicherheit meines Ladens, meiner Angestellten und meiner Gäste verantwortlich - nicht für Integration."
Quelle: ntv.de