Starke AfD in Thüringen Ramelow: "Faschistische Positionen mittlerweile Normalität"
01.10.2023, 21:27 Uhr Artikel anhören
Bodo Ramelow äußerte sich in einem Interview.
(Foto: picture alliance/dpa)
Im thüringischen Nordhausen verpasst die AfD bei einer Stichwahl ihr erstes Oberbürgermeisteramt in Deutschland. Für Ministerpräsident Ramelow taugt das als Vorbild für den Umgang mit der Rechtsaußenpartei. Doch um die bundesweiten Entwicklungen macht er sich Sorgen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow beobachtet ein Erstarken von faschistischen Positionen in Deutschland. "Nicht nur rechtspopulistische, auch faschistische Positionen sind in Deutschland mittlerweile zu einer Normalität geworden", sagte der Linken-Politiker der "taz".
Die AfD sei in Thüringen eine offen faschistisch agierende Partei und bediene ausländerfeindliche Ressentiments. Diese habe es auch schon zu DDR-Zeiten gegeben, seien aber nie so massiv zu Tage getreten. "Das heißt aber nicht, dass wir uns deshalb in Hilflosigkeit ergeben sollten. Wir müssen diese Herausforderung annehmen."
Bei der Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen etwa habe geholfen, dass die Zivilgesellschaft vor Ort eine Mehrheit mobilisiert habe. "Es hilft nicht, von Erfurt oder von Berlin aus öffentlich Ratschläge zu geben, die werden dann vor Ort oft nicht als Rat, sondern nur als Schläge wahrgenommen."
In Nordhausen hatte die AfD vergangenes Wochenende in einer Stichwahl die Chance auf ihr erstes Oberbürgermeisteramt in Deutschland. Der AfD-Kandidat Jörg Prophet unterlag jedoch überraschend in der Stichwahl gegen den Amtsinhaber Kai Buchmann (parteilos).
"Müssen Gefühl des Zurückgelassenseins ernster nehmen"
Anlässlich des Tags der Deutschen Einheit äußerte sich Ramelow zuvor schon per Mitteilung über die Gefühlslage der Menschen im Osten Deutschlands. Diese müssen stärker in den Blick genommen werden. "Die Sehnsucht nach Anerkennung und Gleichberechtigung, aber auch die Enttäuschung und das Gefühl des Zurückgelassenseins müssen wir ernster nehmen denn je", sagte er.
"Wir wollen diese Menschen nicht den Falschen überlassen, wir wollen und werden sie zurückgewinnen." In den 33 Jahren nach der Wiedervereinigung sei viel geschafft worden, sagte er weiter. "Wir müssen uns aber auch eingestehen, dass der Einheitsprozess weder strukturell noch in den Köpfen oder gar in den Herzen abgeschlossen ist."
Die großen Hoffnungen und Erwartungen in die Wiedervereinigung seien nicht immer erfüllt worden. Auch sei die Wiedervereinigung für viele Menschen in Thüringen und im Osten insgesamt mit harten Brüchen in ihrer Biografie verbunden gewesen. "Es gibt weiterhin Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit, bei den Führungskräften sind die Ostdeutschen unterrepräsentiert. Und es fehlen heute die, die weggegangen sind, weil sie ihre berufliche Zukunft nicht im Osten gesehen haben."
Quelle: ntv.de, ses/dpa