Politik

Verfassungsbeschwerde und Streik Rentenreform beschlossen - Regierung übersteht Misstrauensvoten

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Zwei Misstrauensvoten muss die Regierung im Parlament überstehen.

(Foto: dpa)

Weil die Mehrheit wackelt, drückt Frankreichs Regierung die im Land kontrovers diskutierte Rentenreform ohne Abstimmung per Sonderartikel durch. Die Opposition schäumt und will die Anhebung des Eintrittsalters per Misstrauensvotum verhindern. Sie scheitert.

Frankreichs massiv umstrittene Rentenreform hat die letzten Hürden genommen. Die Regierung überstand in der Nationalversammlung zwei Misstrauensvoten. In beiden Fällen wurde die nötige absolute Mehrheit von 287 Stimmen nicht erreicht. In der ersten Abstimmung entzogen zwar 278 Abgeordnete der Mitte-Regierung unter Präsident Emmanuel Macron das Vertrauen, wie Parlamentspräsidentin Yaël Braun-Pivet verkündete. Doch reichte dies nicht - es fehlten neun Stimmen im fraktionsübergreifenden Antrag. Auch ein zweiter, vom rechtspopulistischen Rassemblement National eingebrachter Misstrauensantrag scheiterte - lediglich 94 Abgeordnete stimmten für ihn.

Damit ist die Rentenreform, die die Anhebung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre vorsieht, endgültig verabschiedet. Ein Sturz der Regierung hätte auch das Aus für die Reform bedeutet, die Ministerpräsidentin Elisabeth Borne unter Umgehung des Parlaments durchgebracht

"Die Regierung hat keine Legitimität mehr, die Premierministerin muss zurücktreten", sagte die Fraktionschefin der Linkspopulisten, Mathilde Panot. Die 34-Jährige kündigte an, bereits am morgigen Dienstag Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einzulegen. Die Proteste gegen die Reform würden fortgesetzt, sagte sie. "Das Land befindet sich in einer tiefen politischen Krise."

"Mit dem Gebrauch des 49.3 haben die Franzosen sich geohrfeigt gefühlt", sagte die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen. "Der Präsident sollte darauf hören, was dieses Ergebnis politisch bedeutet", fügte sie hinzu.

"Ein schwieriger Moment"

Die Sprecherin der Regierungsfraktion, Violette Spillebout, räumte ein, dass das knappe Ergebnis "ein schwieriger Moment" sei. "Wir werden innerhalb der Fraktion und der Regierungsmehrheit darüber sprechen müssen, wie es nun in der Nationalversammlung weitergehen wird", sagte sie.

Vergangene Woche sollten die beiden Parlamentskammern nach Wochen hitziger Debatten endgültig über die Reform abstimmen. Der Senat billigte das Vorhaben. Grünes Licht aus der Nationalversammlung, in der die Regierung keine absolute Mehrheit hat, schien jedoch unsicher. In letzter Minute entschied die Regierung daher, die Reform mit einem Sonderartikel der Verfassung - 49.3 - ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung zu drücken. Die Opposition reichte daraufhin zwei Misstrauensanträge ein.

Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 Jahren gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen. Mit der Reform will die Regierung eine drohende Lücke in der Rentenkasse schließen.

Proteste werden andauern - Streiks geplant

Das von der Regierung durchgesetzte Schnellverfahren hatte die wütenden Proteste gegen die Reform weiter angeheizt. Am Montag blockierten Demonstranten vorübergehend den Verkehr bei Rennes und an anderen Orten. Der Streik in den Raffinerien und bei der Müllabfuhr hält an. Am Dienstag und Mittwoch sollen erneut ein Fünftel der Flüge an den Flughäfen Paris-Orly und Marseille-Provence ausfallen. Auch der Bahnverkehr ist weiter beeinträchtigt. Für Donnerstag ist ein weiterer Protesttag mit Streiks und Demonstrationen geplant.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Wochenende betont, dass die Reform "ihren parlamentarischen Weg verfolgt". Er hob hervor, dass die Reform bereits 170 Stunden im Parlament debattiert worden sei und der Vermittlungsausschuss einen Kompromisstext erarbeitet hatte.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP

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