"Ziemlich guter Lockvogel" Russen fallen auf ukrainische Flugzeugattrappe rein


Ein Satellitenbild zeigt den Flugplatz in der Nähe von Krywyh Rih, auf dem das angebliche Flugzeug getroffen wurde.
(Foto: ntv.de Daten / Satellitenbild: © ESA, Sentinel-2, Sentinel Hub )
Mit einer Drohne greift die russische Armee ein ukrainisches Flugzeug an, das sie für einen SU-25 Kampfjet hält - doch schnell stellt sich heraus, dass sie offenbar einem Trick zum Opfer gefallen ist. Das vermeintliche Kampfflugzeug entpuppt sich als Attrappe, wie russische Kriegsblogger feststellen.
In den sozialen Netzwerken macht derzeit ein Video die Runde, in der eine russische Lancet-Drohne ein vermeintlich ukrainisches Flugzeug in die Luft jagt. In dem Video ist zu sehen, wie die Drohne das Flugzeug aus der Vogelperspektive filmt, dann näher hinzoomt und schließlich eine Explosion auf dem Rumpf der Maschine zu sehen ist. Der russische Telegram-Kanal "Dnipro Grenzposten" teilte das Video am Donnerstag und schrieb dazu: "Die SU-25 VFU wurde ein weiteres Ziel unserer Lancet-Drohnenoperationen und durch einen präzisen Treffer einer Sperrmunition zerstört. Großartige Arbeit, Jungs!"
Schon kurz nachdem das Video auf Telegram geteilt wurde, äußerten mehrere russische Kriegsblogger Zweifel an der Echtheit des ukrainischen Flugzeugs. Denn was zunächst aussieht, wie ein Kampfflugzeug der sowjetischen Bauart SU-25, von denen die Ukraine mehrere besitzt, entpuppt sich nach Meinung der Militärblogger als Fake. Mehrere Ungereimtheiten schließen die Zerstörung einer funktionstüchtigen Maschine aus, schreiben die Blogger in ihren Telegram-Kanälen.
So fehle rund um das Flugzeug die passende Technik und der Flieger stehe dazu schief, schreibt ein Blogger in seinem Telegram-Kanal "Fighterbomber". Dazu sei das Flugzeug selbst für eine alte Maschine zu stark abgeblättert und sehe verwahrlost aus. Der Drohneneinschlag habe kein Feuer verursacht und es seien auch keine Menschen vor Ort gewesen. "Alle diese Anzeichen lassen sich zwar erklären", heißt es weiter, aber alles zusammen sei "zu viel des Guten". "Soweit ich das beurteilen kann, ist es ein totes Stück Holz."
"Attrappe aus Scheiße und Stöcken"
Der tschechische Militäranalyst, Jakub Janovsky, der für die niederländische Open-Source-Intelligence-Website Oryx schreibt, hält das Flugzeug ebenfalls für eine Attrappe. "Als Lockvogel bestätigt - ein ziemlich guter, der nur aufgrund der Unterschiede im Detail aus der Nähe zu erkennen ist", schreibt er auf X und postet dazu ein Bild von einem echten SU-25 Kampfflugzeug. Ein erster Hinweis, dass das Flugzeug ein Fake ist, sei das Cockpit, sagt er Sergej Maier vom ntv/RTL-Verifizierungsteam. "Das Cockpit hat die falsche Form", so Janovsky. Zudem unterscheide sich der Flügel um das Triebwerk deutlich von dem der SU-25.
Der pro-russische Telegram-Kanal Aviahub (übersetzt etwa: Luftfahrtzentrum), der mehr als 15.000 Abonnenten hat, schreibt zu der Aufnahme des angegriffenen Flugzeugs: "Der Schäbigkeit, Nachahmung der Cockpitlaterne und undeutlichen Balkenhalterung nach zu urteilen, können wir die Schlussfolgerungen ziehen: Es handelt sich definitiv entweder um ein totes Flugzeug, das vor langer Zeit geflogen ist, oder um eine Attrappe aus Scheiße und Stöcken." Dazu habe es keinerlei Abwehr von ukrainischer Seite gegeben - auch Menschen seien nicht zu sehen gewesen.
Spekulationen, es könne sich um ein altes Flugzeug handeln, das zurechtgemacht wurde, hält Janovsky von Oryx für unwahrscheinlich: "Die Struktur unterscheidet sich von einer echten SU-25 an so vielen Stellen, dass ich glaube, dass das eine selbstgebaute Attrappe ist." Was die Ukraine damit bezweckt, ist allerdings noch unklar. Laut Janovsky sind solche Attrappen eine gute Möglichkeit, Russland dazu zu bringen, seine präzisionsgelenkte Munition mit größerer Reichweite zu vergeuden. Aus früheren Berichten von solchen Lockvögeln gehe hervor, dass sie sogar Angriffe mit Marschflugkörpern und ballistischen Raketen angezogen hätten.
Attrappen "recht einfach und günstig"
Wäre das Video der russischen Lancet-Drohne kürzer geschnitten worden, hätte man das Flugzeug dagegen nicht als Attrappe erkennen können, sagt Janovsky. Zwar sei die ukrainische Attrappe nicht perfekt geworden - aber "trotzdem sehr gut". Attrappen solcher Art seien zudem "recht einfach und günstig hergestellt", wenn man sich nicht an kleinen Details wie zum Beispiel Radarsignaturen aufhalte.
Der Flugplatz, auf dem die Flugzeugattrappe getroffen wurde, befindet sich etwa 70 Kilometer von der Frontlinie entfernt in der Nähe des Ortes Krywyh Rih. Satellitenbilder bestätigen den Standort des Flugplatzes, der mit den Angaben des Drohnenvideos übereinstimmt. Die russische Drohne hat es demnach an der ukrainischen Luftverteidigung vorbei geschafft, so Janvosky.
Ein anderer Grund für die Attrappe könnte sein, dass die Ukrainer von Standorten der echten Flugzeuge ablenken und die Russen auf eine falsche Fährte locken wollten. Seit Kriegsbeginn müsse das ukrainische Militär beinahe stündlich seine wenigen Flugzeuge verlegen, um zu vermeiden, dass russische Drohnen den Standort ausfindig machen und die Kampfjets zerstören. Die Ukraine hat sich zu dem Vorfall bislang noch nicht geäußert.
Quelle: ntv.de