Frontlinie deutlich verschoben Russische Armee rückt ganz nah an Kiew heran
10.03.2022, 08:27 UhrDer "Kampf um Kiew" gilt als Schlüsselschlacht in diesem Krieg. Noch vor fünf Tagen sind die russischen Invasoren weit entfernt von der ukrainischen Hauptstadt, doch mittlerweile kommt die Armee von Wladimir Putin schnell voran. Die Kämpfe intensivieren sich.
Die russischen Streitkräfte haben in der Nacht nach Angaben des ukrainischen Generalstabs ihre "offensive Operation" zur Einkesselung der Hauptstadt Kiew fortgesetzt. Dem Lagebericht zufolge gab es auch in den Städten Petrowsk (Norden), Isjum, Hruschuwakha (beide im Osten), Sumy, Ochtyrka (beide im Nordosten) sowie in den Regionen Donezk und Saporischschja (Südosten) neue Angriffe.
Binnen weniger Tage hat sich die Frontlinie um die Hauptstadt deutlich verschoben: Stand die russische Armee vor fünf Tagen noch rund hundert Kilometer nordöstlich von Kiew entfernt, näherte sie sich nun der an Kiew grenzenden Stadt Browary, wie AFP-Reporter berichteten. Bewohner berichteten von sich intensivierenden Kämpfen in der Region. Russische Einheiten hätten zwei Dörfer in der näheren Umgebung eingenommen, sagte ein Einwohner aus dem etwa 15 Kilometer nordöstlich von Browary gelegenen Dorf Welyka Dymerka.
Aus Großbritannien kommen dagegen widersprüchliche Berichte: Der lange russische Militärkonvoi nordwestlich von Kiew ist nach britischer Darstellung in der vergangenen Woche nur langsam vorangekommen. Zudem erleide er anhaltend Verluste, erklärte das Verteidigungsministerium in London. Da die Zahl der Opfer zunehme, werde der russische Präsident Wladimir Putin gezwungen sein, aus den russischen Streitkräften und anderen Quellen zu schöpfen, um die Verluste zu ersetzen. Es habe in den vergangenen Tagen auch einen bemerkenswerten Rückgang der gesamten Aktivität der Luftwaffe über der Ukraine gegeben.
Zwei Frauen und ein 13-Jähriger getötet
Der Leiter der Militärverwaltung der Region Sumy, Dmytro Dschiwitsky, teilte mit, dass bei einem nächtlichen Bombenangriff in Welyka Pyssariwka zwei Frauen und ein 13-jähriger Junge getötet worden seien. Er kündigte zudem an, dass wieder drei Fluchtkorridore mit unterschiedlichen Ausgangspunkten eröffnet werden sollten, um Menschen aus der Region in die Stadt Poltawa im Zentrum des Landes in Sicherheit zu bringen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Mittwochabend in einer Videoansprache erklärt, dass an dem Tag mindestens 35.000 Zivilisten nach lokalen Waffenruhen die umkämpften Städte Sumy im Nordosten, Enerhodar im Südosten und Gebiete um die Hauptstadt Kiew verlassen konnten. Er hoffe, dass die Evakuierungen im Laufe des Tages fortgesetzt werden können. Demnach sollten zusätzliche Routen aus den Städten Mariupol, Wolnowacha im Südosten und Isjum in der Ostukraine vereinbart werden.
Derweil betonten die Brüder Wladimir und Vitali Klitschko erneut, in Kiew bleiben und ihr Land verteidigen zu wollen. Die Box-Legenden wissen um die symbolische Bedeutung für ihre Landsleute und ihre Rolle als deren prominente Stimme im Ausland. "Wenn ich ginge, wäre das Verrat, und ich könnte niemals mehr in den Spiegel sehen", sagte Vitali der "Welt am Sonntag". Dem ARD-Morgenmagazin sagte er: "Wenn ich sterben muss, dann sterbe ich. Es ist eine Ehre, für sein Land zu sterben, für jeden, der sein Land liebt." Wenn er morgens aufwache, denke er, es sei alles ein Traum, fügte er noch an. "Aber es ist leider Realität."
Quelle: ntv.de, tno/dpa/AFP/rts