Indirekte Kritik an Putin Russisches Gericht verurteilt junge Straßenmusikerin
28.10.2025, 19:04 Uhr Artikel anhören
Diana Loginowa alias Naoko sitzt in einem Gerichtssaal vor einer Anhörung in Sankt Petersburg.
(Foto: REUTERS)
Die 18-jährige Sängerin Naoko singt mit ihrer Band öffentlich von der russischen Regierung verbotene Lieder. Darin geht es um Soldaten und indirekt um Putin. Videos des Auftritts gehen viral. Sängerin und Musiker werden festgenommen. Sie müssen in Haft. Nun kommt eine weitere Strafe hinzu.
Ein Gericht in St. Petersburg hat die Musikerin Naoko wegen "Diskreditierung" der russischen Armee zu einer Geldstrafe verurteilt. Die 18-jährige Musikstudentin Diana Loginowa, die unter dem Künstlernamen Naoko mit ihrer Band Stoptime auftritt, müsse 30.000 Rubel (umgerechnet rund 320 Euro) zahlen, heißt es in dem Urteil. Der Vorwurf bezieht sich auf die öffentliche Aufführung eines Liedes mit dem Titel "Du bist ein Soldat".
Im Text finden sich Zeilen wie: "Du bist ein Soldat, ich sehe an deinen Augen, dass du dort gewesen bist / Du riechst nach Blut, du bist nichts als eine Narbe." Es gibt in dem Lied jedoch keine expliziten Hinweise auf Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Nach der Urteilsverkündung wurde Naoko einem Reuters-Reporter zufolge jedoch nicht aus der Haft entlassen, sondern von Mitarbeitern des Innenministeriums in einem Zivilfahrzeug weggefahren. Sie hatte zuvor eine 13-tägige Haftstrafe verbüßt. Weitere Strafen könnten folgen, berichtet die Online-Zeitung Kyiv Independent.
Vor Gericht weigerte sich Loginowa laut dem unabhängigen russischen Medienunternehmen Nowaja Gaseta, ihre "Schuld" einzugestehen. Videoaufnahmen zeigen demnach, wie Loginowa unter dem Applaus ihrer Anhänger von der Polizei aus dem Gerichtssaal geführt wird.
"Lasst den alten Mann vor Angst um seinen See zittern"
Loginova studiert an der Rimski-Korsakow-Musikschule in St. Petersburg und hat mehrere Studierendenmusikpreise gewonnen. Die Teenagerin war am 15. Oktober festgenommen worden, nachdem ein Video ihrer Band Stoptime im Internet große Verbreitung gefunden hatte. Darin spielte sie das Lied "Du bist ein Soldat" von der im Exil lebenden russischen Sängerin Monetochka und das Lied "Kooperative Schwanensee" des exilierten regierungskritischen Rappers Noize MC.
Das im Internet veröffentlichte Video zeigt Loginova, wie sie den Song auf dem Newski-Prospekt in St. Petersburg singt, während Zuschauer den Text mitsingen: "Ich möchte das Ballett sehen, lasst die Schwäne tanzen. Lasst den alten Mann vor Angst um seinen See zittern."
Auch Mitmusiker verurteilt
Der Vorwurf lautete auf Organisation einer unangemeldeten Versammlung. Zwei ihrer Bandkollegen verbüßten ebenfalls kurze Haftstrafen. Direkt nach Verbüßung ihrer Strafe wurde Naoko der "Diskreditierung" des Militärs beschuldigt.
Die Künstlerin Monetotschka, die das Lied geschrieben hat, lebt im Ausland und wurde 2024 in Russland zur Fahndung ausgeschrieben. Die Regierung stuft sie zudem als "ausländische Agentin" ein. Auch der Rapper Noize MC lebt im Exil in Litauen. Sein Lied wurde im Mai verboten, weil es "feindselige, hasserfüllte Haltungen gegenüber Menschen" enthalte.
Vergangene Woche wurde in Jekaterinburg der Musiker Jewgeni Michailow zu 14 Tagen Haft verurteilt. Er hatte aus Solidarität mit Naoko ebenfalls Lieder von Noize MC gespielt.
Symbol für Herrschaftsende eines Führers
Das Lied "Kooperative Schwanensee" erwähnt weder Präsident Wladimir Putin noch den Krieg in der Ukraine direkt. Die Ballett-Anspielung bezieht sich auf Tschaikowskys Musik des weltberühmten Balletts "Schwanensee", die nach dem Tod sowjetischer Führer und während des Putschversuchs gegen Präsident Michail Gorbatschow 1991 im russischen Fernsehen gespielt wurde. Dadurch wurde die Musik zum Symbol für das Ende der Herrschaft eines Führers.
Der Text bezieht sich auch auf Ozero (russisch für "See"), eine Datscha-Genossenschaft nördlich von St. Petersburg, die mit Putins innerem Kreis in Verbindung gebracht wird. Im Mai verbot ein Gericht in St. Petersburg das Lied mit der Begründung, es könne "Anzeichen für eine Rechtfertigung und Entschuldigung für feindselige, hasserfüllte Einstellungen gegenüber Menschen sowie Äußerungen enthalten, die gewaltsame Veränderungen der Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung fördern".
Die Links zur "Swan Lake Cooperative" auf YouTube und der Website von Noize MC sind innerhalb Russlands gesperrt. Indes nutzen viele junge Russen virtuelle private Netzwerke (VPNs), um solche Verbote zu umgehen.
Quelle: ntv.de, gut/rts