Elf statt acht Stunden Russland verlängert Aleppo-Feuerpause
19.10.2016, 17:16 Uhr
Für die Bevölkerung von Aleppo dürfte die Waffenruhe nur eine kurze Verschnaufpause sein.
(Foto: REUTERS)
Kurz vor dem Treffen von Kremlchef Putin mit Kanzlerin Merkel in Berlin verlängert Russland die Feuerpause in Aleppo um wenige Stunden. Nachdrücklich ruft das Land andere Gruppen auf, sich an die Feuerpause zu halten.
Die für Donnerstag geplante Feuerpause in der syrischen Stadt Aleppo soll nach russischen Angaben länger dauern als bisher geplant. Die "humanitäre Pause" werde auf Bitten internationaler Organisationen von acht auf elf Stunden ausgeweitet, teilte die russische Armee in Moskau mit. Die Europäische Union und die Uno hatten eine achtstündige Feuerpause als zu kurz kritisiert.
Russland warnte vor einem Scheitern der Waffenruhe, sollten sich nicht alle Gruppen daran beteiligen. "Ich schließe aus, dass wir die humanitäre Pause zusammen mit der syrischen Regierung einseitig verlängern können", sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. Moskau hatte die Konfliktparteien in Syrien zuvor aufgerufen, die Kämpfe einzustellen.
Die Streitkräfte Russlands und Syriens würden Aleppo bereits seit mehr als einem Tag nicht mehr bombardieren, teilte der Generalstab der Agentur Interfax zufolge mit. Beobachter gehen davon aus, dass Russland die Feuerpause am Dienstag verkündet hat, um Präsident Wladimir Putin bei Gesprächen mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin den Rücken zu stärken. Das Außenministerium in Moskau rief die Vereinten Nationen auf, die Waffenruhe für Hilfslieferungen in die umkämpfte Stadt zu nutzen.
Syriens Truppen zogen sich unterdessen nach Regierungsangaben in Aleppo von zwei Korridoren zurück, über die Rebellen abziehen sollen. Der ungehinderte Transport von Zivilisten, Verletzten und Kämpfern mit ihren Waffen sei arrangiert worden, hieß es aus dem syrischen Außenministerium in Damaskus. Auch humanitäre Hilfe werde geliefert. Bewaffnete Kämpfer können den Angaben zufolge aus dem von Regimegegnern kontrollierten Ostteil Aleppos in andere Rebellengebiete des Landes gebracht werden. Die Rebellen lehnen einen Abzug aus Aleppo jedoch ab und bezeichnen ihn als Angebot zur Kapitulation. Für Zivilisten fordern sie einen Korridor unter Kontrolle der UN.
Fatah-al-Scham soll sich zurückziehen
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan einigte sich zudem mit Putin auf einen Abzug der Miliz Fatah-al Scham aus Aleppo. "Wir haben diesbezüglich unseren Freunden die nötigen Befehle erteilt", sagte Erdogan vor Ortsvorstehern in Ankara, ohne weitere Details zu nennen. Mit dem Rückzug von Fatah-al-Scham - der früheren Al-Nusra-Front, die lange Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida in Syrien war - könne der "Frieden für das Volk von Aleppo" gewährleistet werden.
Erdogan warnte außerdem vor einer neuen Fluchtbewegung, sollten die Kämpfe in Aleppo nicht gestoppt werden. "Gott bewahre, wenn in Aleppo eine Migration losbricht, werden mindestens eine Millionen Menschen in die Türkei kommen. Nichts für ungut, aber diesen Preis können wir nicht bezahlen."
Ende August nahm die türkische Armee mit Kämpfern der Freien Syrischen Armee zunächst die syrische Grenzstadt Dscharablus ein. Inzwischen kontrolliert die Türkei mit ihren Verbündeten ein ehemals vom IS besetztes Gebiet an der Grenze. Erdogan sagte weiter, Ziel in Syrien sei eine 5000 Quadratkilometer große "von Terror gesäuberte" Sicherheitszone. Dazu werde die Türkei auch bis Al-Bab vordringen und Manbidsch von "allen Terrororganisationen säubern".
Rebellen verlassen belagerte Stadt
Im südwestlich von Damaskus gelegenen Muadamijet al-Scham verließen derweil im Zuge eines Abkommens mit der Regierung etwa 620 Rebellen und ihre Familien die belagerte Stadt. Die Busse mit den Rebellen und ihren Angehörigen hätten sich in Muadamijet al-Scham in Bewegung gesetzt, sagte Hassan Ghandur, ein örtlicher Behördenvertreter. Sie würden in die Provinz Idlib nordwestlich von Damaskus fahren. Nach der Abfahrt der Rebellen sollten die syrischen Behörden wieder die Kontrolle über Muadamijet al-Scham übernehmen. Derzeit werden rund 20 Regionen oder Ortschaften in Syrien belagert, vornehmlich von regierungstreuen Truppen.
Quelle: ntv.de, mli/dpa