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Ukraine: "Tödliche Gefahr" Russlands Luftfahrt soll "am Rande des Kollaps" stehen

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Dieser Airbus von Ural Airlines musste im Oktober wegen technischer Probleme eine Notlandung in einem Weizenfeld hinlegen.

Dieser Airbus von Ural Airlines musste im Oktober wegen technischer Probleme eine Notlandung in einem Weizenfeld hinlegen.

(Foto: Militärgeheimdienst der Ukraine)

Die Ukraine veröffentlicht Dokumente, die Hacker von der zivilen russischen Luftfahrtbehörde erlangt haben sollen. Diese bestätigen Berichte über schwerwiegende Vorfälle mit Flugzeugen sowie massive Probleme bei Ersatzteilen und Reparaturen. Verantwortlich dafür sollen die Sanktionen sein.

Der ukrainische Militärgeheimdienst hat laut eigenen Angaben erfolgreich eine "Cyber-Spezialoperation" gegen die russische Luftfahrtbehörde Rosaviatsia durchgeführt und dabei massive Mängel in der zivilen Luftfahrt des Landes aufgedeckt. Das soll aus geleakten Papieren hervorgehen, die Kiew online gestellt hat. Es handele sich dabei um "vertrauliche Dienstdokumente des russischen Verkehrsministeriums". Die Ukrainer listen zahlreiche Vorfälle und Probleme mit Flugzeugen, Ersatzteilen und Reparaturen auf. Die westlichen Sanktionen sollen dabei den "Flugzeugkollaps beschleunigen".

"Unter den durch Hacking und Eindringen in feindliche Informationssysteme erlangten Daten befindet sich eine Liste täglicher Berichte der Rosaviatsia über ganz Russland für einen Zeitraum von über eineinhalb Jahren", schreibt der Militärgeheimdienst in einer Mitteilung. Dieser sieht die russische zivile Luftfahrt "am Rande des Kollaps".

So seien allein im Januar 2023 185 Zwischenfälle registriert worden. An der Spitze stehe das Kurzstreckenflugzeug "Suchoi Superjet" mit 34 problematischen Fällen. "In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 wurden in Russland 150 Fälle von Flugzeugfehlfunktionen dokumentiert. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2022 wurden 50 derartige Vorfälle registriert. Das bedeutet, dass sich das Risiko des Fliegens in Russland verdreifacht hat", resümiert der Militärgeheimdienst.

Die problematischsten Bereiche der russischen Luftfahrt sollen Motoren und Fahrwerke sowie Hydrauliksysteme, Klappen und Software sein. Es gebe "ernsthafte Schwierigkeiten bei der Wartung von Flugzeugen mit hohen Flugstunden".

Iraner sollen Flugzeuge notgedrungen reparieren

Wegen des Mangels an Fachkräften versuche Moskau, die Flugzeugwartung auf den Iran umzustellen, wo die Arbeiten ohne entsprechende Zertifizierung durchgeführt würden. 820 zivile Flugzeuge ausländischer Produktion habe Russland im März 2022 im Besitz gehabt, zehn Prozent seien damals einer nicht zertifizierten Reparatur unterzogen worden, mittlerweile sollen es fast 70 Prozent sein.

Moskau arbeitet auch im Bereich der Drohnen mit dem Iran zusammen. So attackieren günstige iranische Kamikaze-Drohnen vom Typ Shahed bereits seit längerer Zeit regelmäßig die Ukraine.

Laut dem ukrainischen Militärgeheimdienst hat der akute Mangel an Ersatzteilen in Russland zu einem "sogenannten Flugzeugkannibalismus" geführt. Darunter wird das Zerlegen mancher Flugzeuge für die Reparatur anderer verstanden. Ein Vorgehen, über das Brancheninsider bereits letztes Jahr berichteten. Kiew schätzt, dass bis Mitte 2023 über 35 Prozent der Flugzeuge für Ersatzteil-"Spenden" verwendet worden sind.

"Die meisten sowjetischen An-2-Flugzeuge können derzeit nicht abheben, da ihre Motoren in Polen hergestellt wurden, aber die Lieferungen aufgrund von Sanktionen eingestellt wurden. Allein im Januar 2023 wurden unter den 220 in Russland befindlichen Airbus-Flugzeugen 19 verschiedene Ausfälle registriert. Insbesondere bei neuen Flugzeugen, die von Aeroflot genutzt werden, wurden 17 Fälle von Rauchentwicklung festgestellt. Von den 230 "Boeing"-Flugzeugen, die in Russland eingesetzt werden, wurden 33 technische Ausfälle verschiedener Flugzeugsysteme festgestellt", heißt es in der Mitteilung.

"Tödliche Gefahr"

Die Analyse der gekaperten Dokumente zeige, dass eine Reihe von Ausfällen, insbesondere im Zusammenhang mit Motoren und Fahrwerken, systematischer Natur seien. Kiew wirft Moskau vor, die Probleme der Bevölkerung zu verbergen und sie einer "tödlichen Gefahr" auszusetzen. Das Ganze sei eine "direkte Folge der Sanktionen", von denen sich besonders das Verbot der Lieferung von Luftfahrzeugen sowie deren Ersatzteilen "schmerzhaft" auswirke. Auch die Weigerung, Software zu aktualisieren, sowie die Beschlagnahmung russischer Luftfahrzeuge im Ausland trage zur schlechten Situation bei.

Inzwischen haben die größten Unternehmen Medienberichten zufolge aber auch Möglichkeiten zur Umgehung der Sanktionen gefunden. Einem Bericht des unabhängigen Portals Wjorstka zufolge haben die vier größten Gesellschaften des Landes, Aeroflot, S7, Pobeda und Rossija seit Jahresbeginn so Bauteile im Wert von insgesamt etwa 100 Millionen Euro importiert.

Russland bemüht sich, von der Abhängigkeit von ausländischen Flugzeugteilen wegzukommen. Das von Importteilen entkernte Flugzeug SJ100 hat im Sommer offiziellen Angaben zufolge den ersten Probeflug absolviert. Industrieminister Denis Manturow sprach von einem Erfolg für die russische Luftfahrtindustrie. Auch der einheimisch hergestellte Prototyp des modernisierten Langstreckenflugzeugs Iljuschin Il-96-400M hat nach offiziellen Angaben kürzlich seinen ersten Testflug absolviert.

Quelle: ntv.de, rog

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