UN-Resolution für Truppenabzug Russlands stärkste Partner enthalten sich
23.02.2023, 22:35 Uhr Artikel anhören
141 der 193 Mitgliedstaaten der Vollversammlung stimmten für die UN-Resolution.
(Foto: AP)
Die Abstimmung zum Ukraine-Krieg in der UN-Vollversammlung ist ein globaler Stimmungstest - den die Unterstützer der Ukraine bestehen. Trotz dieses eindrucksvollen Rückhalts enthalten sich wichtige Länder.
Zum Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine hat die Weltgemeinschaft Präsident Wladimir Putin erneut mit großer Mehrheit zum Rückzug seiner Truppen aufgefordert. 141 der 193 Mitgliedstaaten in der UN-Vollversammlung stimmten für eine entsprechende Resolution. Mit Belarus, Nordkorea, Eritrea, Mali, Nicaragua und Syrien gab es sechs Länder, die zusammen mit Moskau gegen den Entwurf stimmten. Wie auch schon bei vorangegangenen Abstimmungen enthielten sich China und Indien, zwei mächtige Staaten und Handelspartner Russlands.
Am Rande der Vollversammlung forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock China auf, seinen Ankündigungen Taten folgen zu lassen und einen Friedensplan unter dem Dach der UN-Charta vorzulegen. Dies sei notwendig, weil China als UN-Sicherheitsratsmitglied nicht nur Vetorechte, "sondern eben als Mitglied eine besondere Verantwortung hat, den Weltfrieden wiederherzustellen". Deswegen sei ein echter, von China unterstützter Friedensplan notwendig.
Chinas UN-Vertreter Dai Bing hatte zuvor erneut ein entsprechendes Positionspapier seiner Regierung angekündigt. Zudem kritisierte er Waffenlieferungen an die Ukraine und eine "Kalter-Krieg-Mentalität". Offensichtlich in Richtung Moskaus betonte er, ein Einsatz von Atomwaffen wäre inakzeptabel.
Indien und China gehören wie Russland zu den BRICS-Staaten, einer Vereinigung aufstrebender Volkswirtschaften. Beide Länder sind für Moskau wichtige Handelspartner. Keiner der BRICS-Staaten hat sich bislang an den westlichen Sanktionen gegen Moskau beteiligt, viele sehen sich vielmehr in einer Zwickmühle und positionieren sich nicht klar gegen den russischen Angriffskrieg, um Handelsbeziehungen mit dem Westen als auch Russland aufrechtzuerhalten.
Globaler Stimmungstest
Das Votum im größten Gremium der Vereinten Nationen wird als globaler Stimmungstest zu Russlands Angriffskrieg gesehen. Die Resolution in der UN-Vollversammlung enthält die Forderung nach Frieden und dem Rückzug Moskaus. Der Entwurf bekräftigt eine Reihe zuvor bereits beschlossener Positionen des Gremiums und sieht unter anderem die Wahrung der territorialen Integrität der Ukraine vor. Kiew und seine Unterstützer knüpften damit an ähnliche Abstimmungsergebnisse des vergangenen Jahres mit mehr als 140 "Ja"-Stimmen an. Sie wollen mit dem klaren Ergebnis dem Eindruck entgegenwirken, es gäbe in Teilen der Welt eine Kriegsmüdigkeit und bröckelnden Rückhalt für die Ukraine.
Im März 2022, kurz nach Kriegsbeginn, hatte die Versammlung Russlands Invasion mit einer Mehrheit von 141 der 193 Stimmen zurückgewiesen. Im Oktober verurteilten dann sogar 143 Nationen die illegalen Annexionen Moskaus in der Ukraine. Die wichtigen Länder Brasilien, Türkei und Saudi-Arabien stimmten dieses Mal für die Vorlage, Südafrika und der Iran enthielten sich. Während fast alle südamerikanischen Länder zustimmten, enthielten sich erneut eine Reihe afrikanischer Staaten.
Baerbock appelliert an Weltgemeinschaft
Baerbock hatte die Weltgemeinschaft vor der Abstimmung zu einem klaren Signal für ein Ende des Angriffskriegs und einer Zustimmung zur Resolution aufgefordert. "Heute muss sich jeder von uns entscheiden: Mit dem Unterdrücker isoliert dastehen - oder für den Frieden zusammenstehen", sagte sie. "Wenn Russland aufhört zu kämpfen, endet dieser Krieg. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, ist es das Ende der Ukraine." Baerbock hielt ihre Rede auf Bitten der Ukraine als letzte reguläre Sprecherin vor der Abstimmung.
In den vergangenen Tagen hatte die Ministerin vor allem in Ländern des sogenannten Globalen Südens für eine Zustimmung zu der Resolution geworben - auch am Rande der Sicherheitskonferenz in München am vergangenen Wochenende. Zuletzt hatte sie Gespräche mit Vertretern Südafrikas, Indiens, Senegals, Äthiopiens, Nigerias und Brasiliens geführt. Auf eine Zustimmung der neuen Regierung des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva hatten die Deutschen besonders gesetzt - das Land gilt als Schlüsselstaat des Globalen Südens. Die brasilianische Regierung war aufgefordert worden, Textvorschläge vorzulegen - diese flossen dann in die Arbeit am Entwurf ein.
Hinter den UN-Kulissen war lange diskutiert worden, wie substanziell eine Resolution zum Jahrestag der Invasion sein könne. UN-Kreisen zufolge hatte die Ukraine an Resolutionen gearbeitet, die ein Kriegsverbrechertribunal umreißen sowie an einem Text, der einen Zehn-Punkte-Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in ein UN-Dokument überführen würde. Beide Ideen wurden für die Abstimmung am Donnerstag aufgegeben.
Guterres ist pessimistisch
In dem nun beschlossenen Text tauchen eher vage Formulierungen zum Ende des Krieges auf: So heißt es, das Erreichen eines umfassenden Friedens, der notwendig sei, würde "einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit leisten". Im Weiteren wird ein vollständiger Austausch von Kriegsgefangenen verlangt und die Notwendigkeit betont, dass Verantwortliche für die schwersten Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden müssten.
Nach zwölf Monaten Krieg scheinen Friedensverhandlungen in dem schwersten militärischen Konflikt auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg jedoch weit entfernt: "Im vergangenen Jahr haben wir nicht nur Leid und Verwüstung wachsen sehen, es wird auch immer deutlicher, wie viel schlimmer alles noch werden könnte", hatte UN-Generalsekretär António Guterres vor der Vollversammlung gesagt. Die Gefahr einer sich weiter drehenden Konfliktspirale sei sehr konkret. "Inzwischen haben wir implizite Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen gehört", sagte Guterres: "Der sogenannte taktische Einsatz von Atomwaffen ist absolut inakzeptabel."
Quelle: ntv.de, mba/dpa