Ist Schulz angefressen? SPD will sondieren, aber mit anderem Stil
15.12.2017, 16:10 Uhr
Der Weg ist frei: Anfang Januar beginnen Sondierungsgespräche zwischen der CDU/CSU und der SPD. Als Parteichef Schulz ans Mikro tritt, um das zu verkünden, wissen allerdings schon alle Bescheid.
Nein, angefressen sei er überhaupt nicht, sagt Martin Schulz den Journalisten im Willy-Brandt-Haus. Der SPD-Chef erläutert gerade in einer Pressekonferenz, dass die Sozialdemokraten bereit sind, Sondierungsgespräche mit der Union aufzunehmen.
Das allerdings hat sich längst herumgesprochen, als Schulz auf das kleine Podium steigt. Schon gegen halb eins hatte die Nachrichtenagentur Reuters gemeldet, dass Schulz der SPD-Spitze die Sondierung empfehle. Zu diesem Zeitpunkt saß der Parteivorstand noch zusammen. Jetzt, auf der Pressekonferenz, spricht Schulz den Reuters-Reporter direkt an. Er habe ja schon zum zweiten Mal aus laufenden Sitzungen der SPD-Gremien berichtet, "à la bonne heure", gratuliert Schulz.
Deshalb merkt eine Journalistin an, Schulz wirke "ein bisschen angefressen", was der, wie gesagt, bestreitet: "Ich hab den Mitgliedern des Vorstands gesagt: Warum lassen wir die Journalisten eigentlich draußen sitzen, lasst sie doch reinkommen, da kriegen sie doch die Informationen aus erster Hand. Die armen Leute müssen da auf dem Flur rumhocken, ist doch besser, wir lassen sie rein, sind doch auch nur Menschen." Er habe das "klar angesprochen". Man wird wohl davon ausgehen können, dass sein Tonfall dabei weniger freundlich war.
Der Rest ist weitgehend bekannt - entweder, weil es auf dem Parteitag in der vergangenen Woche so beschlossen oder weil es am heutigen Freitag schon aus dem Vorstand heraus mitgeteilt wurde: Die SPD strebt weiterhin keine Koalition an, sondern hält auch Minderheitsregierung und Tolerierung für eine Option. Am kommenden Mittwoch treffen sich die Parteispitzen in derselben Besetzung wie schon eine Woche zuvor: CDU-Chefin Angela Merkel, Unionsfraktionschef Volker Kauder, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und natürlich Schulz. Diese Gruppe will dann festlegen, wann die Sondierungen starten und wie sie organisiert sein sollen.
Gabriel ist nicht dabei
Er gehe davon aus, dass die Sondierungen Anfang Januar losgehen, sagt Schulz. Vorsichtshalber ist für den 11. Januar ein weiteres Treffen des SPD-Vorstands geplant. Der soll dann dem Parteitag eine Empfehlung geben, denn bevor die eigentlichen Koalitionsverhandlungen beginnen, muss ein weiterer Parteitag stattfinden. Dafür hält sich die SPD den 14. Januar frei. Erst wenn die Mehrheit der Delegierten dann grünes Licht gibt, wird richtig verhandelt. Über den Koalitionsvertrag, wenn es denn einen gibt, würden am Ende die Mitglieder der SPD in einer Urabstimmung entscheiden.
In die Sondierungen geht die SPD mit einem zwölfköpfigen Team, an dem vor allem eines auffällt: Der amtierende Außenminister Sigmar Gabriel gehört ihm nicht an. Schulz begründet dies damit, dass Gabriel kein Parteiamt habe, und Sondierungen seien nun mal eine Veranstaltung zwischen Parteien. Von etwaigen Spannungen zwischen den beiden spricht Schulz nicht.
Daran, dass die Sondierungen "ergebnisoffen" geführt werden, hält die SPD ausdrücklich fest. Allerdings betont Schulz auch, das Ziel sei "eine möglichst stabile Regierung". Mit dem Ausdruck "stabile Regierung" (ohne "möglichst") haben Unionspolitiker in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass sie von einer Tolerierung nichts halten. Was er denn unter "stabil" verstehe, wird Schulz gefragt. Eine stabile Regierung sei eine, "die sich verlässlich auf eine parlamentarische Mehrheit stützen kann, die ihr die Handlungsfähigkeit garantiert". Die GroKo-Skeptiker bei der SPD werden diesen Satz aufmerksam zur Kenntnis genommen haben.
"Es geht einfach nicht so weiter"
Schulz nennt diverse inhaltliche Ziele für die Verhandlungen mit der Union, vor allem mehr Investitionen in die Bildung, in die Pflege sowie die Sicherung der Renten, den Kampf gegen die Altersarmut, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und eine Reform der Europäischen Union. Deutschland sei in vielen Bereichen kein modernes Land, sagt Schulz. Keinesfalls dürfe es ein "Weiter so" geben. "Es geht einfach nicht so weiter, dass wir so tun, alles ist easy, alles ist in Ordnung, wir können einfach mal die Regierung so fortführen." Um die "Dialogkultur" zu verbessern, sollen die Minister der nächsten Regierung "raus ins Land" gehen. Es gebe "das tiefe Bedürfnis von Menschen, in den unmittelbaren Dialog einzutreten". Deutschland brauche "eine frische, neue Anmutung in der parlamentarischen wie in der Regierungsarbeit unseres Landes".
Schon die Sondierungsverhandlungen sollen "einen anderen Stil" haben. "Bei uns wird's keine Balkonbilder geben, auch kein Winken, huldvoll vom Palais", so Schulz. "Es wird auch kein, hoffe ich jedenfalls, intensives Twittern von Zwischenständen aus Arbeitsgruppen geben."
Quelle: ntv.de