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Kanzler kritisiert Demos Scholz: "Friedensliebe heißt nicht Unterwerfung"

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Vor rund einem Jahr rief Kanzler Scholz im Bundestag die "Zeitenwende" durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine aus. In einer Regierungserklärung zieht er nun Bilanz. Rufen nach einem "Friedensschluss über die Köpfe der Ukrainer hinweg" erteilt er eine Absage. Auch an China hat Scholz eine Botschaft.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Kritik an Waffenlieferungen zur Abwehr des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine deutlich zurückgewiesen. Es werde keinen Friedensschluss über die Köpfe der Ukrainer hinweg geben, sagte er in einer Regierungserklärung im Bundestag zu einem Jahr "Zeitenwende". Es dürfe in der Ukraine keinen "Diktatfrieden gegen den Willen der Opfer" geben.

Am 27. Februar 2022 - drei Tage nach Kriegsbeginn - hatte Scholz in einer Sondersitzung des Bundestags den Angriff Russlands auf die Ukraine als "Zeitenwende" bezeichnet und zugleich ein 100-Milliarden-Programm zur Aufrüstung der Bundeswehr ankündigt. Bereits am Vortag waren die ersten Waffenlieferungen an die Ukraine für den Abwehrkampf gegen Russland beschlossen worden - ein Tabubruch.

Scholz sagte nun im Bundestag: "Man schafft auch keinen Frieden, wenn man hier in Berlin 'Nie wieder Krieg' ruft - und zugleich fordert, alle Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen." Und weiter: "Friedensliebe heißt nicht Unterwerfung unter einen größeren Nachbarn. Würde die Ukraine aufhören, sich zu verteidigen, dann wäre das kein Frieden, sondern das Ende der Ukraine."

"Denn wir wissen, welches Schicksal den Ukrainerinnen und Ukrainern unter russischer Besatzung blüht", fügte er hinzu. Dafür stünden Ortsnamen wie Butscha und Kramatorsk, Isjum und Mariupol, "wo Putins Soldaten ukrainischen Zivilisten unfassbares Leid angetan und furchtbarste Kriegsverbrechen begangen haben", sagte Scholz.

Scholz stellte der Ukraine Sicherheitsgarantien der Verbündeten für die Zeit nach dem Krieg in Aussicht. Die Bundesregierung werde der Ukraine "helfen", dass es zu einem Frieden kommt, sagte Scholz. "Deshalb sprechen wir mit Kiew und weiteren Partnern auch über künftige Sicherheitszusagen für die Ukraine", sagte der Kanzler. "Solche Sicherheitszusagen setzen aber zwingend voraus, dass sich die Ukraine in diesem Krieg erfolgreich verteidigt."

Die Chancen auf eine baldige Beilegung des Kriegs durch Verhandlungen bewertete der Kanzler skeptisch. Die offene Frage sei, ob Russlands Präsident Wladimir Putin überhaupt bereit sei, über die Rückkehr zu den Grundsätzen der europäischen Friedensordnung und einen "gerechten Frieden" zu verhandeln. "Im Moment spricht nichts dafür", sagte Scholz. "Vielmehr setzt Putin auf Drohgebärden, wie zuletzt die Aussetzung des New-Start-Vertrags mit den USA."

Scholz enttäuscht von Chinas Haltung

Scholz forderte in der Regierungserklärung China auf, Russland im Ukraine-Krieg keine Waffen zur Verfügung zu stellen. "Liefern Sie keine Waffen an den Aggressor Russland", sagte er. Peking müsse vielmehr seinen Einfluss auf Moskau nutzen, "um auf den Rückzug russischer Truppen zu drängen."

Scholz äußerte sich auch zu dem von China vorgelegten Zwölf-Punkte-Plan für ein Ende des Ukraine-Kriegs. Es sei gut, dass Peking darin "die klare Botschaft gegen den Einsatz von Nuklearwaffen" wiederholt habe und sich "eindeutig gegen den Einsatz biologischer und chemischer Massenvernichtungswaffen stellt", sagte der Kanzler.

Er erwarte nun, dass China auch mit der Ukraine selbst als Hauptbetroffener über den Plan spreche. Als "enttäuschend" bezeichnete Scholz, dass China beim jüngsten Treffen der G20-Finanzminister eine klare Verurteilung des russischen Angriffs nicht unterstützte.

Scholz bekräftigte, Deutschland werde das 2-Prozent-Ziel der NATO bei den Verteidigungsausgaben dauerhaft erreichen. "Diese Zusage, die ich hier am 27. Februar vergangenen Jahres gegeben habe, gilt", sagte er. Er sprach von einem "Aufwuchs des Verteidigungshaushalts insgesamt", um dieses Ziel zu erreichen. In der Ampel-Koalition und auch innerhalb der SPD wird noch diskutiert, ob zusätzlich zum 100-Milliarden-Euro-Topf für die Bundeswehr - einem sogenannten Sondervermögen - auch der reguläre Verteidigungshaushalt um weitere Milliarden erhöht werden soll.

Merz vermisst Tempo

Oppositionsführer Friedrich Merz warf Scholz in seiner Replik auf die Regierungserklärung fehlendes Tempo beim Ausbau der Bundeswehr vor. Der Verteidigungsetat sei allen Ankündigungen zu Trotz gesunken. Vom Sondervermögen für die Bundeswehr seien erst 600 Millionen ausgegeben. "Was ist eigentlich im zweiten Halbjahr 2022 geschehen, dass diese Zusagen, die sie gegeben haben, auch umgesetzt werden?"

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Merz fügte mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine hinzu, man werde "Jahre, wenn nicht Jahrzehnte" Sicherheit in Europa nicht mehr mit, sondern gegen Russland organisieren müssen. "Und dazu, Herr Bundeskanzler, müssen Entscheidungen getroffen werden und nicht nur Regierungserklärungen abgegeben werden."

Der Unionsfraktionschef kritisierte auch die von Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer am Samstag am Brandenburger Tor veranstaltete Kundgebung gegen den Krieg. Für den Frieden einzutreten, sei aller Ehren wert, sagte Merz. Er warf Teilnehmern von AfD und Linken aber vor, vorsätzlich Täter und Opfer zu verwechseln. "Es gibt nur einen, der ganz allein für diesen Krieg verantwortlich ist. Und der Mann heißt Wladimir Putin. (...) Wenn Russland heute die Waffen schweigen lässt, dann ist morgen der Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine heute die Waffen niederlegt, dann ist morgen das ukrainische Volk und die Ukraine als Staat am Ende. Das ist der Unterschied."

Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP

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