Ruf nach NATO bei Maischberger Selenskyj-Berater: "Können Europa nicht ewig alleine verteidigen"
13.07.2023, 03:23 Uhr Artikel anhören
Der ukrainischen Präsidentenberater Alexander Rodnyansky.
(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)
Die militärische Offensive in der Ukraine geht langsamer voran als geplant. Als Verstärkung fordert der ukrainische Präsidentenberater Rodnyansky indirekt den Einsatz von NATO-Truppen in seinem Land. Europa profitiere derzeit vom Tod ukrainischer Männer, kritisiert er bei Maischberger.
Der NATO-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius ist zu Ende. Ein wichtiges Thema war der mögliche NATO-Beitritt der Ukraine. Den hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert. Die NATO zieht die Mitgliedschaft der Ukraine in Betracht - allerdings erst nach dem Krieg. Denn solange dieser läuft, könnte ein Beitritt unter Umständen zu einem Einsatz von NATO-Truppen in der Ukraine führen.
Diesen fordert Kiew nun anscheinend. Denn eine Aussage des ukrainischen Präsidentenberaters Alexander Rodnyansky im Interview mit Talkmasterin Sandra Maischberger in der ARD lässt aufhorchen.
"Europa profitiert"
Die russischen Angriffe auf die Ukraine haben laut Rodnyansky in ihrer Intensität nachgelassen. Grund seien Logistikprobleme auf russischer Seite, außerdem verfüge sie nicht mehr über die nötige Menge Munition. "Das müssen wir zu unseren Gunsten ausnutzen", erklärt Rodnyansky. "Die Menschen sind weiterhin kampfeslustig in der Ukraine. Wir werden nicht aufhören. Keiner denkt daran. Dazu haben wir zu viel geopfert. Und wir werden weiterhin versuchen, unser Land zu befreien."
Die Ablehnung eines raschen NATO-Beitritts der Ukraine sieht der Berater mit gemischten Gefühlen. Dann wendet er sich offensiv an die Bündnispartner: "Es geht darum, dass man die europäische Friedensordnung nicht ewig alleine verteidigen will", betont Rodnyansky. "Das tun wir gerade mit unserem Blut. Unsere Männer sterben an der Front. Und Europa profitiert gerade davon, dass wir den Aggressor weiter abhalten. Das will man nicht ewig alleine stemmen."
Der russische Zermürbungskrieg dürfe nicht ewig weitergeführt werden, führt Rodnyansky aus. Die NATO habe versäumt, ein entsprechendes Signal an den russischen Diktator zu senden. "Wir begrüßen das Bekenntnis der NATO, die Ukraine nach dem Krieg aufzunehmen. Aber der Krieg ist noch nicht vorbei." Um ein Ende des Krieges zu erreichen, müsse eine Partei siegen. Dazu brauche die Ukraine weitere Unterstützung, in der Luft und am Boden, und dazu müsse der ukrainische Grenzverlauf von 1991 wiederhergestellt werden.
"Man kann nicht nur Waffen"
Menschenrechtler und FDP-Vordenker Gerhart Baum, der von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister war, stimmt Rodnyansky zu. "Die NATO-Sicherheitsgarantien sollten sein, dem russischen Präsidenten Putin Grenzen zu setzen. Und wenn er die nicht einhält, ihn auch notfalls selber zurückzudrängen. Das heißt, dass man nicht nur Waffen liefert, sondern dass man mehr tut."
Die unverletzbare Sicherheit der Ukraine könne nicht nur durch diplomatische Maßnahmen und durch Waffenlieferungen gewährleistet werden, sagt Baum. "Putin muss ganz klar gesagt werden: bis hier hin und nicht weiter."
Etwas später bekommt Baum Applaus, als er erklärt: "Das Schicksal der Ukraine ist das Schicksal der freien Welt. Wenn wir hier nachgeben, verlieren wir alle."
Und auf einen möglichen Einsatz russischer Atomwaffen hat Baum auch eine klare Ansicht: "Ja, Putin hat Atomwaffen, aber der Chinese hat ihm den Einsatz verboten. Ich möchte mal erleben, dass er das macht und was dann passiert." Ein Wunsch, den so mancher Zuschauer vermutlich nicht nachvollziehen kann.
Russisches System zerfällt
Eine schnelle NATO-Mitgliedschaft der Ukraine hätte laut Rodnyansky einen weiteren Effekt gehabt: "Das hätte die politischen Turbulenzen innerhalb Russlands weiter angeheizt", sagt er. Das russische System zerfalle, ist der Präsidentenberater überzeugt.
Zudem hält er die Vorgaben für einen NATO-Beitritt nach dem Krieg für falsch. So sei die Ukraine schon jetzt in der Demokratieentwicklung weiter als heutige Mitglied Türkei. In Ländern wie Rumänien gebe es aktuell mehr Korruption.
Die aktuelle Militäroffensive der Ukraine beurteilt Rodnyansky positiv: Man komme voran, wenn auch langsamer als gedacht. "Ich hoffe, dass die NATO weiterhin entschlossen hinter der Ukraine steht, weiter Waffen liefert, die wir unbedingt brauchen, Munition und auch Streumunition, die in diesem Krieg wichtig sein kann."
Quelle: ntv.de