Zum dritten Mal in einem Jahr Selenskyj ersetzt Kommandeur der Donbass-Einheiten
27.01.2025, 08:51 Uhr Artikel anhören
Eine ukrainische Panzerartillerie feuert auf russische Stellungen an der Frontlinie in Richtung Pokrowsk.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die Lage in der Ostukraine ist verzweifelt, Präsident Selenskyj spricht von den "härtesten Kampfgebieten". Besonders um die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk wird erbittert gerungen. Nun zieht Selenskyj Konsequenzen, wieder einmal.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erneut den Kommandeur am Frontabschnitt zur Verteidigung der strategisch wichtigen Stadt Pokrowsk ausgetauscht. In seiner Videoansprache am späten Sonntagabend erklärte Selenskyj, er habe den neuen Kommandeur der ukrainischen Bodentruppen, Generalmajor Mychailo Drapatyj, mit der Leitung der operativ-strategischen Gruppe Chortyzja beauftragt, deren Verantwortungsbereich einen Großteil der Ostfront der Ukraine umfasse. "Dies sind die härtesten Kampfgebiete."
"Gleichzeitig behält Drapatyj die Befehlsgewalt über die Landstreitkräfte, den größten Teil unserer Streitkräfte, was dazu beitragen wird, die Kampfeinsätze der Armee mit einer angemessenen Ausbildung der Brigaden zu verbinden", sagte Selenskyj. Er habe die Änderungen bei einem Treffen mit dem ukrainischen Oberbefehlshaber Olexandr Syrskyj besprochen.
Drapatyj soll Generalmajor Andrij Hnatow ersetzen, der seit Juni das Kommando über Chortyzja innehatte. Hnatow soll stellvertretender Generalstabschef werden und für Ausbildung und Kommunikation zuständig sein. Zuletzt hatte es wiederholt Berichte aus der Region Pokrowsk über fahnenflüchtige ukrainische Soldaten gegeben. Angesichts der häufigen Rückschläge ist vielfach das Vertrauen in die militärische Führung verloren gegangen. Es ist das dritte Mal binnen eines Jahres, dass Selenskyj den Kommandeur für den umkämpften Frontabschnitt austauscht.
153 russische Angriffe an einem Tag
Wie der Generalstab in Kiew am Sonntagabend mitteilte, lieferten sich die russischen und ukrainischen Truppen im Osten der Ukraine erneut schwere Kämpfe. Insgesamt seien im Tagesverlauf 153 russische Angriffe an verschiedenen Frontabschnitten registriert worden. Der Schwerpunkt der Kampfhandlungen lag einmal mehr rund um Pokrowsk am Rande des Donbass.
Dort traten russische Einheiten im Tagesverlauf mit Artillerieunterstützung zu 70 Angriffen an verschiedenen Stellen gegen die ukrainischen Verteidigungslinien an. Die Attacken seien abgewehrt worden, hieß es. Die Stadt ist nach russischer Darstellung bereits von drei Seiten eingekreist.
Bei russischen Artillerieangriffen wurden nach offiziellen Angaben mindestens ein Mensch getötet und vier weitere schwer verletzt. In Pokrowsk starb eine Frau, in Konstantinowka wurden vier Menschen beim Einschlag von Granaten in Wohnhäuser verletzt, wie der regionale Militärverwalter Wadim Filaschkin auf Telegram mitteilte.
An den Fronten rund um den Donbass setzten die russischen Militärs nach Meinung des ukrainischen Strategieexperten Andrij Ryschenko ihre operativen Aktionen fast schon planmäßig fort. "Vor allem interessiert sie Pokrowsk, das ist ein wirtschaftliches Ziel", sagte Ryschenko im Rundfunk. "Es ist ja bekannt, dass sich dort mehrere Kohleschächte befinden." Daher sei die Eroberung der Stadt für Russland schon aus wirtschaftlicher Sicht wichtig. Würde Pokrowsk in die Hände der Russen fallen, kämen diese auch der Eroberung der gesamten Region Donezk einen großen Schritt näher.
Kiew: Lager mit Drohnensprengköpfen angegriffen
Die Ukraine griff ihrerseits nach Angaben aus Kiew mit Kampfdrohnen ein Depot mit Drohnensprengköpfen auf russischem Staatsgebiet an. Nach der Attacke auf das Gebäude in Orjol in Zentralrussland sei eine starke Sekundärexplosion registriert worden, teilte der Generalstab auf Facebook mit. Damit seien rund 200 Schahed-Kamikazedrohnen außer Gefecht gesetzt worden. Von russischer Seite gab es dazu keine Erklärung. Orjol liegt knapp 350 Kilometer südwestlich von Moskau.
Kiew hat zuletzt eigene Drohnen mit großer Reichweite entwickelt, die Ziele weit innerhalb Russlands angreifen können. Selenskyj äußerte sich zufrieden über deren Wirksamkeit: "Jeder kann ihre Wirksamkeit sehen - wie unsere Waffen den Krieg zurück nach Russland bringen und wie Russlands Kriegspotenzial abnimmt." Die vom Westen gelieferten Marschflugkörper werden angesichts geringer Bestände nur sporadisch gegen Ziele in Russland eingesetzt.
Das russische Militär startete seinerseits am Sonntagabend erneut größere Drohnenschwärme in Richtung Ukraine. Die Gruppen von unbemannten Fliegern wurden von der ukrainischen Flugabwehr in verschiedenen Regionen gesichtet - in Cherson im Süden, in Charkiw im Osten sowie Poltawa in der Zentralukraine. Auch in der Region Kiew wurden der dortigen Militärverwaltung zufolge feindliche Drohnen registriert.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts