Politik

"Ukrainer sind nicht naiv" Selenskyj traut Signalen aus Russland nicht

Selenskyj hört positive Signale aus Russland. Noch seien die russischen Bomben aber lauter, sagt er.

Selenskyj hört positive Signale aus Russland. Noch seien die russischen Bomben aber lauter, sagt er.

(Foto: dpa)

Russland kündigt einen Teilabzug bei Kiew an, angeblich als vertrauensbildende Maßnahme in den Verhandlungen mit den Ukrainern. Deren Präsident lobt die positiven Signale. Gleichzeitig sieht er keinen Grund, Moskau über den Weg zu trauen. Die eigenen Streitkräfte seien die einzige Überlebensgarantie.

Ungeachtet der leichten Fortschritte bei den Verhandlungen mit Russland über ein Ende des Kriegs sieht der ukrainische Präsident die fortgesetzte Verteidigung seines Landes als vorrangig. Die positiven Signale übertönten nicht die Explosionen russischer Geschosse, sagte Präsident Wolodymr Selenskyj zu Ankündigungen russischer Militärs, etwa den Druck auf die Hauptstadt Kiew zu vermindern. "Die Verteidigung der Ukraine ist unsere Aufgabe Nummer eins, alles andere wird davon abgeleitet", betonte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Nur auf dieser Grundlage könne mit Russland weiter verhandelt werden.

"Der Feind befindet sich weiterhin auf unserem Gebiet", sagte Selenskyj. Die Realität sei, dass die ukrainischen Städte weiter belagert und beschossen würden. Daher seien die ukrainischen Streitkräfte "die einzige Garantie für unser Überleben". Dies sei eine "funktionierende Garantie".

Die ukrainische Seite sehe keinen Anlass, den Worten von Vertretern eines Staates, die weiter an der Vernichtung der Ukraine arbeiteten, Glauben zu schenken. "Ukrainer sind nicht naiv", sagte Selenskyj. "Die russische Armee hat immer noch ein großes Potenzial, um die Angriffe auf unseren Staat fortzusetzen." Deshalb werde die Ukraine ihre Verteidigungsanstrengungen nicht verringern.

Auch sollte es keinerlei Aufhebung von Sanktionen gegen Russland geben, sagte Selenskyj weiter. Dies "kann erst in Betracht gezogen werden, wenn der Krieg vorbei ist und wir zurückbekommen, was uns gehört". Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und die USA haben angekündigt, den Sanktionsdruck gegen Russland beibehalten zu wollen.

Im Westen ist man skeptisch

Zuvor hatte Russlands Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin nach den Gesprächen angekündigt, "um das Vertrauen zu stärken", sei die "radikale" Reduzierung der militärischen Aktivitäten Russlands bei Kiew und Tschernihiw im Norden des Landes beschlossen worden. Die ukrainische Seite sprach in Istanbul davon, dass nach den Verhandlungen nun ein Treffen der Staatschefs beider Seiten möglich erscheine.

Das US-Verteidigungsministerium reagierte allerdings mit großer Skepsis auf die Ankündigung Russlands. Pentagon-Sprecher John Kirby sagte, bislang scheine sich nur eine "kleine Zahl" russischer Soldaten von Kiew zu entfernen. Das sei aber kein "Rückzug", sondern eine "Neupositionierung" der Truppen. Britische Geheimdienste sehen die russische Offensive auf Kiew als gescheitert an. Wie das britische Verteidigungsministerium am Dienstagabend mitteilte, halte man es für wahrscheinlich, dass Russland Kräfte aus dem Norden abziehe, um sie in Donezk und Luhansk einzusetzen.

Melnyk spricht von "Täuschungsmanöver"

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, spricht von einem "Täuschungsmanöver" Russlands. "Wir glauben, diese 'versöhnliche' Rhetorik aus Moskau ist nichts anderes als Bluff und Nebelkerzen, um einerseits von der militärischen Blamage des Kreml in der Ukraine abzulenken", sagte Melnyk den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

"Andererseits geht es heute Putin auch darum, den Westen - auch Deutschland - in die Irre zu führen", sagte er weiter. Es gehe darum, Friedenswillen vorzutäuschen und dem Westen vorzugaukeln, dass die Ukraine sich auch ohne Unterstützung verteidigen könne. "Diese Zeit wird Russland nutzen, um seine Kräfte umzugruppieren, neue wehrpflichtige Soldaten zu schicken und logistischen Nachschub zu sichern." Russlands Präsident Wladimir Putin habe sein Hauptziel, "die ukrainische Staatlichkeit zu eliminieren und Kiew einzunehmen oder zu zerstören", nicht aufgegeben, so Melnyk.

Er sprach sich erneut für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland aus. "Vor allem das Moratorium auf Energie-Importe aus Russland soll unverzüglich eingeführt werden. Der Geldstrom - rund eine Milliarde Euro pro Tag - in die Putinsche Kriegskasse muss trockengelegt werden, um das Blutvergießen zu stoppen."

Quelle: ntv.de, ino/dpa

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