"Unvereinbar mit Sozialstaat" Spanien meutert bei Fünf-Prozent-Ziel der Nato
19.06.2025, 17:42 Uhr Artikel anhören
Spanien hebt Militärausgaben in diesem Jahr um 50 Prozent an.
(Foto: REUTERS)
Erst vor wenigen Wochen erklärt Madrid, bereits dieses Jahr die Militärausgaben hochzufahren. Damit würde Spanien das Zwei-Prozent-Ziel erreichen. Dass nun innerhalb des Militärbündnisses aber mehr als doppelt so viel angepeilt werden, erzürnt das Land. Ministerpräsident Sanchez will eine Ausnahme.
Spanien will sich dem angestrebten Fünf-Prozent-Ausgabenziel der Nato nicht anschließen und sieht dies als unvereinbar mit dem Sozialstaat an. "Eine Verpflichtung zu einem Ziel von fünf Prozent wäre nicht nur unangemessen, sondern auch kontraproduktiv", teilt der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez in einem Schreiben Nato-Generalsekretär Mark Rutte mit. Deshalb werde man sich beim Nato-Gipfel nächste Woche in Den Haag auch "nicht auf ein bestimmtes Ausgabenziel (...) festlegen" können.
Diese Selbstverpflichtung der Nato-Staaten würde die laufenden Bemühungen der EU zur Stärkung ihres Sicherheits- und Verteidigungssystems eher behindern, schrieb Sanchez in dem Brief weiter. Der sozialdemokratische Politiker forderte eine "flexiblere Formel", die entweder das Ausgabenziel optional macht oder Spanien von dessen Anwendung ausnimmt.
Sanchez erhob schwere Vorwürfe gegen die Befürworter der neuen Zielsetzung. Das von den USA vorgeschlagene neue Ziel sei "unvereinbar mit unserem Sozialstaat und unserer Weltanschauung". Damit kritisiert er indirekt aber auch die Bundesregierung. Denn auch diese hatte sich stark gemacht, wegen der Bedrohung durch Russland das Ausgabenziel von zwei auf fünf Prozent bis Anfang der 2030er-Jahre anzuheben. 3,5 Prozent sollen in direkte Militärausgaben gehen, 1,5 Prozent in den Ausbau von Infrastruktur, die auch militärisch genutzt werden kann. Die spanische Regierung argumentiert, dass sie nur 2,1 Prozent der Wirtschaftsleistung ausgeben müsste, um den geschätzten Investitionsbedarf des spanischen Militärs zu decken.
Verteidigungsministerin Margarita Robles bezeichnete die Nato-Pläne unterdessen sogar als "großen Fehler". Man sei der "Meinung, dass der Prozess nicht darin bestehen kann, zuerst einen Prozentsatz festzulegen und anschließend die Fähigkeiten zu bestimmen, es muss umgekehrt sein."
Bislang ist Spanien weit vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato entfernt. Nach Zahlen des Verteidigungsbündnisses gab das Land im vergangenen Jahr lediglich 1,28 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aus - prozentual der niedrigste Wert von allen Nato-Staaten. Spaniens Ziel war es bislang, die zwei Prozent im Jahr 2029 zu erreichen.
Jüngst hatte Sanchez aber erklärt, die Verteidigungsausgaben schon im laufenden Jahr auf zwei Prozent des BIP zu erhöhen. Sánchez kündigte dafür neue Investitionen in Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro an. Das wären gut 50 Prozent mehr als bislang. "Wir müssen die Investitionsziele erreichen, die unsere Verbündeten verlangen", sagte der Sozialist. Spanien wolle ein "zentrales und vertrauenswürdiges Mitglied" der Europäischen Union und der Nato sein. Sánchez beteuerte Ende April, die Zusatzausgaben würden ohne Steuererhöhungen, Kürzungen bei den Sozialausgaben oder ein größeres Defizit erreicht werden.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/AFP/dpa