Influencer verklären GeschichteJeder fünfte junge Spanier lobt die Franco-Diktatur
Fast 40 Jahre regierte Francisco Franco in Spanien als Diktator. Zehntausende Menschen ließ er in dieser Zeit foltern und töten. Doch heute verehren ihn viele Jugendliche wieder. Experten führen dies auf unzureichende Aufarbeitung im Geschichtsunterricht und Frustration über die Regierung zurück.
Diktator Francisco Franco herrschte über Spanien jahrzehntelang mit brutaler Gewalt - trotzdem wird er 50 Jahre nach seinem Tod bei Spaniens Jugend wieder populär. "Unter Franco war alles besser" ist in Online-Netzwerken inzwischen zu einem geflügelten Wort geworden. Der Spruch steht für eine frustrierte Generation, die in der Schule wenig über die Diktatur gelernt hat und empfänglich für systemkritische Strömungen ist.
General Francisco Franco war als Sieger aus dem spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 hervorgegangen, in dem Hunderttausende Menschen getötet wurden. Anschließend regierte er das Land fast 40 Jahre lang bis zu seinem Tod am 20. November 1975 mit harter Hand als Diktator. Schätzungen zufolge wurden während dieser Zeit zehntausende Menschen umgebracht und in Massengräbern verscharrt.
Experten zufolge sind viele Heranwachsende leichte Opfer für rechte Propaganda, weil sie kaum etwas über die faschistische Unterdrückung ihrer Eltern und Großeltern wissen. Cristina Luz García ist Geschichtslehrerin an einer Schule in Madrid und kennt das Problem genau: Manche ihrer Schüler wiederholten einfach im Internet aufgeschnappte "Mythen" und "Phrasen, die eng mit dem Regime und der Franco-Propaganda verbunden sind", berichtet sie. Diese Jugendlichen hätten weder "tiefe Kenntnisse über die Person Franco" noch über "die negativen Folgen von 36 Jahren Folter und Freiheitsentzug".
Beliebte rechte Parteien gegen Aufarbeitung
Das Einnehmen von Pro-Franco-Positionen sei zudem für manche Schülerinnen und Schüler "eine Möglichkeit, sich den Lehrern zu widersetzen oder eine andere Meinung zu vertreten", mutmaßt Luz García. "Das ist ja etwas sehr Reizvolles in der Pubertät." Da hilft auch nicht, dass der verachtete, aber noch vielfach diskutierte ehemalige König Juan Carlos I. den Diktator in seinem kürzlich erschienenen Buch hochlobt.
Franco habe Stauseen bauen lassen, den wirtschaftlichen Wohlstand gesichert und ein Sozialsystem geschaffen, zählen Verehrer angebliche Leistungen des Diktators auf. Laut einer im Vorfeld des 50. Jahrestags von Francos Tod veröffentlichten Umfrage des nationalen Meinungsforschungsinstituts CIS sagten zwar gut 65 Prozent der Spanier, dass die Franco-Diktatur "schlecht" oder "sehr schlecht" war. Mehr als 21 Prozent der Befragten finden sie aber "gut" oder sogar "sehr gut". Unter den 18- bis 24-Jährigen sind es fast 20 Prozent.
Eine Umfrage der konservativen Tageszeitung "El Mundo" im vergangenen Monat ergab zudem, dass die regierenden Sozialisten nicht mehr die beliebteste Partei in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen sind. Sie wurden von der konservativen Volkspartei (PP) überholt und auch von der rechtsextremen Partei Vox, die den stärksten Zugewinn in dieser Altersklasse verbuchen konnte. Sowohl Volkspartei als auch Vox lehnen die von der Regierung angestrebte Aufarbeitung der Franco-Verbrechen ab, zu der auch ein offizielles Veranstaltungsprogramm zum 50. Todestag des Diktators beitragen soll.
Frustration und Defizite im Geschichtsunterricht
"Die jungen Leute sind unglaublich frustriert" über prekäre Arbeitsbedingungen und unbezahlbaren Wohnraum, sagt Verónica Díaz, Koordinatorin des Studiengangs Soziale Probleme an der Nationalen Fernuniversität. "Sie glauben, dass die traditionellen politischen Parteien nicht nur ihre Probleme nicht lösen, sondern selbst Teil davon sind." Dies bestärke die Anziehungskraft "systemfeindlicher Diskurse" der extremen Rechten.
Díaz konstatiert ein "Defizit im Geschichtsunterricht" und immer mehr Internetbeiträge, "die Geschichte umdeuten". Dies führe dazu, dass junge Menschen, denen es an "ausreichenden Fähigkeiten zum kritischen Hinterfragen" mangele, "diese Narrative mit legitimen Darstellungen der Geschichte verwechseln".
In Iznalloz im Süden Spaniens versucht Geschichtslehrer José María García, die Wissenslücken zu schließen. Seit fünf Jahren entwickelt er Unterrichtseinheiten, die seinen Schülern erklären sollen, "was der Faschismus unter Franco wirklich war". Mit dem Projekt sollen Schülerinnen und Schüler andere Sichtweisen entwickeln können als die, die ihnen im Internet begegnen.
Franco-Influencer auf TikTok verfälschen Bild
Der 15-jährige Hugo Guindos und die ein Jahr ältere Erika Hurtado berichten, dass sie unter ihren Klassenkameraden immer mehr Faszination für Franco beobachten. Tiktok-Influencer "sprechen ohne Argumente, und die Leute, die selbst keine Argumente haben und ihnen zuhören, glauben es", sagt Hurtado. Erst durch das Projekt ihres Geschichtslehrers haben sie und Guindos erfahren, dass auch in ihrer Region unter Franco Folter an der Tagesordnung war und es zahlreiche Massengräber gibt.
Es sei wichtig, "das Bewusstsein der heutigen Generation für die Vergangenheit zu schärfen - gerade jetzt, wo der Franco-Kult wieder an Stärke gewinnt", sagt der 15-jährige Hugo. Der Diktator werde oft falsch dargestellt, fügt Erika hinzu. "Es war keine so gute Zeit, wie behauptet wird."